Lieber Luther

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Sonntag, 26. April 2015

Vaterunser (8) - Versuchungen

Lieber Luther,
… und führe uns nicht in Versuchung. Wie oft habe ich schon gehört, Jesus versucht nicht, das wollen wir von unserem guten Jesus nicht hören und nicht sehen. Er will nur das Beste von uns. Stimmt. Deshalb steht es auch im Vaterunser:
Und führe uns nicht in Versuchung.
Korrekt übersetzt heißt es: Und führe uns nicht in die Prüfung. Was meint das?
Das Vaterunser fasst unsere Beziehung zu Gott, deren Anfang und Ende zusammen. Mit dem Anfang, mit adama, habe ich mich schon ausführlich auseinandergesetzt. Was aber mit dem Ende? Ich bin das A und das O, der Anfang und das Ende, der Erste und der Letzte. Vom Ersten kommen wir, zum Letzten streben wir:
Das sagt der Heilige, der Wahrhaftige, der die Tür öffnet und schließt: Ich kenne deine Werke. Ich habe eine geöffnete Tür vor dir gegeben, die niemand schließen kann. Du hast eine kleine Kraft und in dieser mein Wort bewahrt und meinen Namen nicht verleugnet. Weil du das WORT bewahrt hast, in ihm ausgeharrt hast, werde auch ich dich vor der Prüfung bewahren, die über mein ganzes Volk kommen wird, wenn die Zeit da sein wird, um all diejenigen zu prüfen, die sich bei mir eingemietet haben. Bewahre die Treue zu mir, die du hast, damit dir niemand deinen Sieg über das Böse nehme. Wer die Versuchung überwindet, den werde ich im Hause meines Gottes zu einer Säule machen und er wird nie mehr hinausgehen. Wer ein Ohr hat, der höre (Offenb 3, 7-13).
Diese Bibelstelle entschlüsselt, was mit "und führe uns nicht in Versuchung" gemeint ist. Wenn wir beten, "und führe uns nicht in Versuchung", ist es eine Bitte, dass wir zu denen gehören, denen die Tür (zum Schafstall) geöffnet ist, dass wir zu denen gehören, an denen Gottes Prüfung vorbeigeht. Wie das geht, hat Jesus gezeigt, als er in der Wüste die Prüfung bestand. Sein ganzes Leben und auch sein grausames Sterben war eine einzige Prüfung, uns zur Anschauung, damit wir auch eine Chance haben, unsere eigene Prüfung zu bestehen. Er gibt uns Nachhilfeunterricht, in dem er als Paradebeispiel der Selbstprüfung vorangeht.
Das, was unter "Versuchung" gemeint ist, ist die versuchte Verführung durch uns selbst, die eigenen Götter, die wir über Gottes Wort stellen, unseren bösen Ego-Geister in uns, die allgegenwärtig sind und dauernd gehört werden wollen. Gemeint ist die Prüfung, wie weit wir ihnen widerstehen können, auch unter schlechten Bedingungen und in Nöten, auch wenn sie Quälgeister sind.
Die Geschichte von Hiob ist ein weiteres Anschauungsbeispiel, an dem wir lernen können. Hiob ist der ganzen Welt der Versuchungen ausgesetzt. Aber er bewahrt durch alle Versuchungen, durch allen Hader hindurch, Gottes Wort, bis er durch die Versuchung des eigenen Elendes hindurch, zur Demut gefunden hat. Er stellt sich der Auseinandersetzung seines Inneren mit Gott. Er spürt, dass das Böse in ihm die Oberhand gewinnen will. Das eigene Elend ist unser größter Versucher. Das Wieso Gott? Das: Wenn du nicht so willst wie ich, will ich dich nicht. Genau da entscheidet sich, ob wir auf Gott beharren, auch wenn das Leben sich wie Ausharren anfühlt.
Der Satan beschreibt in der Hiobsgeschichte die Verführung: Haut für Haut, und alles, was ein Mensch hat, lässt er für sein Leben (Hiob 2, 4). Genau das ist die Nagelprobe, um die es geht: Nicht das verführte, irdische, fleischlich-menschlich getriebene Leben, das in den Tod führt, zu leben, sondern das wahre, Gottes Wort getriebene, nicht menschlich fehlgeleitete Leben. Die Versuchung ist, im Leben das vermeintliche Leben über den Tod zu stellen und sich dadurch vom wahren Leben zu trennen und den Tod einzuhandeln. Die Verführung ist, dem inneren Verführer des Augenblickes nachzugeben, einen falschen Wechsel auf die Zukunft einzugehen.
Der Satan ist in uns, ist unser verführter Blick auf die Dinge. Deshalb herrscht Jesus Petrus an: Gehe hinter mich, DU SATAN. Das hat Jesus nicht nur so dahin gesagt, das hat er so gemeint. DU Petrus, DU Mensch, DU SATAN. Du meinst nicht, was göttlich ist, sondern was menschlich ist. Du denkst, mein Fleisch ist mein Leben und willst mich dazu verführen, dass ich genauso denke und handle, dass ich jetzt, wo es um meine Haut geht, von Gott abrücke, um mein menschliches Fell zu retten. Du willst mich Gott veruntreuen. DU SATAN (Mt 16, 23). Nicht nur Petrus, wir alle sind angesprochen und aufgefordert: Wer mir nachfolgen will, der verleugne sich selbst.
Uns zur Anschauung und zur Lehre treibt Jesus auch böse Geister offenbar aus. Er setzt damit ein sichtbares Zeichen für uns: Die bösen Geister sind in euch, aber ihr könnt sie loswerden, ich habe die Macht, sie auszutreiben, das Wort ist die Macht, die sie austreibt (Mk 3, 22-28). Das Böse bekämpft das Böse nicht, man muss es selbst bekämpfen, an die Kette legen. Selbstdisziplin ist gefragt, nicht Selbstgefälligkeit. Man kann diese Selbstverantwortung nicht auf Gott abwälzen. Wenn wir den Stein von unserem Grab gewälzt sehen wollen, müssen auch wir den Treuebund halten, das heißt, wir müssen einen Beitrag leisten. Er wälzt sich nicht wie aus Zauberhand selbst weg. Gott ist kein Zauberer. Er hat den Menschen nicht nur als Empfänger seiner Wohltaten geschaffen. Auch wenn es gern so gepredigt wird und so bequem ist, es steht so nicht in der Bibel. Die Verantwortung für einen Selbst auf Gott abzuschieben, eigene Verantwortungslosigkeit führt in dem Fall zur Verantwortungslosigkeit anderen gegenüber.
Lieber Luther: Weil DU das WORT BEWAHRT hast. Nur dieser Weg erspart uns den Weg durch die Abschluss-Prüfung. Und wenn wir beten, führe uns nicht in Versuchung, heißt das: HERR, lass mich stark sein, damit ich dem inneren Versucher widerstehen kann. Der Versuchung und der Verführung ist der Mensch von Anfang an und immer ausgesetzt. Sie ist dem Menschen immanent, da er eben mit einem eigenen Willen ausgestattet ist. Dieser verführt ihn, sich zu wichtig und Gott für zu unwichtig zu halten.
Aber, lieber Luther, auch das ist in der Offenbarung nachzulesen: Es ist ein Treuepakt. Wenn wir wie Hiob durch das Böse in uns hindurchgehen, ohne Gott untreu zu werden, ist Gott auch uns treu. Wenn wir sein Wort bewahren und in uns tragen, auch in unserer Dunkelheit, trägt auch er uns durch unsere Dunkelheit, steht zu seinem Bund und seinem Wort zu uns. Nicht untreu zu werden, nicht abzufallen, ihn zu bewahren, ohne Wenn und Aber, das ist die Prüfung. Auch der Verführung nicht zu verfallen, Jesus hätte durch seinen Tod alles für uns gerichtet, uns von jeder Verpflichtung freigesprochen, ist eine Prüfung. Die Prüfung anzunehmen und nicht wegzulaufen vor lauter Prüfungsangst, ist eine Prüfung. Nicht Gott in die Schuhe zu schieben – "du (böser) Gott, führe mich ja nicht in Versuchung" – man sieht den erhobenen Zeigefinger förmlich, ist eine Prüfung. Anzunehmen, dass wir uns selbst prüfen müssen, um zu lernen, um zu wachsen, damit wir erfahren, was verheißen ist: Ich werde dich vor der Endprüfung bewahren.
Der Mensch ist Gott gegenüber gern ein fauler Arbeiter. Manche stecken den Kopf in den Sand, bereiten sich nicht vor oder treten nicht einmal zur Prüfung an. Wer sich nicht freiwillig selbst der Prüfung stellt, hat keine Chance, sich zu verbessern. Unvorbereitet steht man dann vor dem göttlichen Prüfstand. Da hilft auch nicht, noch so oft: Und führe mich nicht in Versuchung, zu beten. Vorbereitung, Tat, Handeln ist anempfohlen, damit wir nicht Nachsitzen müssen und am Ende nicht durch die Prüfung fallen. Dafür hat Jesus unermüdlich geworben. Faulheit vor Gott hat er nicht gekannt.
So beten wir, lieber Luther:
HERR, lass mich nicht davonschleichen, weil ich es gern bequem habe.
HERR, mach mich stark, wappne mich gegen alle Versuche, mich von Dir abzubringen.
HERR, lass mich den Weg durch Deine offene Tür wählen, auch wenn er durchs Dunkel führt.
Amen.
Herzliche Grüße
Deborrah

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