Lieber Luther

Lieber Luther

Sonntag, 10. März 2013

Passionszeit


Lieber Luther,
nur ein kurzer Zwischenruf. Mir fällt auf, dass es für mich nicht verständlich ist, wieso wir in der Zeit vor Ostern fasten. Das ist nicht eingängig.
Wenn ich auf Jesu Wirken in der Vorosterzeit bis zu seinem letzten Atemzug blicke, dann ist das beileibe keine karge Zeit, ganz im Gegenteil.
Sie ist voll des Wortes, der Botschaft und der Zeichen, eine pralle Zeit. Jesus hat versucht, alles, was er von seinem Vater verstanden hat, weiterzuvermitteln, seine Jüngerschar auf eine Zeit nach seinem Erdendasein vorzubereiten.
Diese Fülle strahlt bis zum heutigen Tag aus. Deshalb sind wir in der Vorosterzeit so bewegt, fühlen uns so angesprochen, so aufgewühlt, so betroffen. Das ist keine Zeit des Verzichts oder gar Fastens oder Leidens, wie das Wort „Passionszeit“ vorgibt. „Passion“ erinnert mehr an die Leidenschaft, mit der Jesus versucht hat, das Wort zu vermitteln und den Glauben an den Gottessohn wachsen und sich festigen zu lassen. Es ist eine Zeit des Aufnehmens, des gierigen Essens und Trinkens im gestern diskutierten Sinne, des Auseinandersetzens, des üppigen Wort- und Geist Einfließen-Lassens, der Klärung. Die Speisung der 5000 Menschen betrifft uns, spricht uns an, ist eine Aufforderung an uns mit Jesus das Lebensbrot zu essen, eben nicht zu fasten. Gerade jetzt, in der Vorosterzeit.
Fastenzeit ist von Jesu Tod bis zu seiner Auferstehung oder auch von seiner Auferstehung bis Himmelfahrt. Oder vor Weihnachten. Das sind karge Zeiten, Zeiten des Wartens, der Leere und des Vakuums. Aber nicht die Vorosterzeit. Das geht an dem vorbei, was Jesus in dieser Zeit tat und im Sinn hatte.
Lieber Luther, du magst mir jetzt vielleicht widersprechen wollen. Aber ich halte es mit dir und nehme einfach die Bibel als Referenz, nicht kirchliche Setzungen. Ist das eigentlich noch niemand aufgefallen, dass wir hier wieder einmal völlig schief liegen? Eigentlich müssten wir nicht an Weihnachten feiern, sondern in der Vorosterzeit, wir müssten die Wortgeschenke feiern, die Jesus uns in der Zeit schenkt.
Die Passionszeit bekommt in der Betrachtungsweise eine ganz andere Botschaft, nicht Leidenszeit, sondern leidenschaftliche Zeit, leidenschaftliche Glaubenszeit. Das hallt, klingt und singt in mir.
Herzliche Grüße
Deborrah

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