Lieber Luther

Lieber Luther

Sonntag, 2. März 2014

Was passiert da bloß?

Lieber Luther,
im Zuge meines Bibelleseplans bin ich nun bei Mose gelandet und man fragt sich schon nach wenigen Kapiteln, was passiert da bloß? Plötzlich weht ein ganz anderer Geist.
Das Buch Genesis ist mit dem Tod Josephs zu Ende, der Glaube an Gott ist gegründet, die Grundlagen gelegt. Eine Ära im Verhältnis Gottes zu den Menschen geht zu Ende, eine neue beginnt. Joseph, der Mann, der als Fremdling und Diener nach Ägypten kam und Gott und Mensch dienend zum Herrn über Ägypten aufstieg, steht am Ende dieser ersten Ära.
Mit dem Tod Josephs und des Pharaos ändern sich die Zeiten schlagartig. Es fühlt sich an wie eine zweite Vertreibung aus dem Paradies. Aus friedlichem und fruchtvollem Zusammenleben wird Unterdrückung, aus Vertrauen Misstrauen, aus Verständnis Hass. Die Nachkommenschaft Jakobs macht sich auf, in das neue gelobte Land zu ziehen. Sie sind immer noch unterwegs, wir sind immer noch unterwegs.
Der Protagonist dieser neuen Welt und dieser neuen Umstände ist Mose, der aus dem Wasser gezogene (2. Mos 1ff). Da der Pharao eine Überfremdung fürchtete, gebot er, alle männlichen Nachkommen der Hebräer zu töten. Mose wird, um ihn zu retten, von seiner Mutter ausgesetzt, von der Tochter des Pharaos aufgefunden und aufgezogen. Als Mose erwachsen ist, sieht er, wie einer seiner Brüder von den Ägyptern geschlagen wird, erschlägt kurzerhand den Ägypter und verscharrt ihn. Das bleibt nicht verborgen und so muss er vor dem Pharao fliehen. Moses Geschichte, diese neue Ära mit Gott, beginnt, ganz ähnlich wie die erste Ära, mit Mord, Totschlag und Flucht.
Mose flieht nach Midian und findet Zuflucht und eine Frau bei dem dortigen Priester. Seinen ersten Sohn nannte er Gersom, ich bin ein Fremdling geworden in fremden Land. Ein doppelter Fremdling sozusagen. Gottesmenschen waren und sind immer Fremdlinge.
Dann hat Mose seine erste Begegnung mit Gott, am Berg Horeb, beim Dornbusch. Gott hat das Wehklagen der Kinder Israel gehört, ihr Leid erkannt, und gibt Mose den Auftrag, sein Volk aus Ägypten zu führen, in ein gutes und weites Land, in ein Land, in dem Milch und Honig fließt. Gott sendet Mose zum Pharao, um die Freilassung der Kinder Jakobs zu erwirken. Aber Mose ist nicht Joseph. Mose zweifelt. Wieso sollte der Pharao mir glauben? Oder die Kinder Israel? Wer bin ich denn? Was soll ich ihnen sagen, wenn sie mich fragen, wie der Name dessen ist, der mich zu ihnen gesandt hat? So beschreibt Gott für Mose sich selbst:
Sage ihnen, der ICH WERDE SEIN, DER ICH SEIN WERDE hat mich geschickt. Der HERR, eurer Väter Gott, der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs. Das ist mein Name ewiglich, dabei soll man mein Gedenken für und für (2.Mose 3,14-15).
Gott gibt sich keinen Namen, Gott ist der, der er ist und der, der er sein wird, der Nichtfassbare, der Nichtbenambar, der, der sich im Augenblick und im zukünftigen Augenblick zeigt.
Das ist der Anfang einer langen Freundschaft zwischen Mose und Gott und einem halsstarrigen Volk. Gott weiß im Voraus, dass der Pharao die Kinder Israel nicht so ohne weiteres ziehen lassen wird, "außer durch eine starke Hand", seine starke Hand. Er wird dem Pharao und den Kindern Israel seine starke Hand zeigen, er wird ihnen zeigen, dass er der HERR ist.
Mose ist das alles zuviel und so nimmt er den Auftrag zunächst nicht an, er diskutiert mit Gott. Sie werden mir nicht glauben und meine Stimme nicht hören, wendet er ein. Und wie Jesus bei seinen Jüngern so muss auch Gott den Glauben in Mose stärken. Als sichtbares Zeichen gibt er ihm einen Stab, einen Wunderstab, Gottes starke Hand. Er lehrt Mose, was Gottes starke Hand zu bewegen mag und dass er Vertrauen in sie setzen kann. Der Stab ist das sichtbare Zeichen hierfür. Mit dem Stab führt Mose Gottes starke Hand verbildlicht immer mit sich, vermag mit ihm Dinge zu vollbringen, die nur Gottes starke Hand vollbringen können.
Aber selbst alle sichtbaren Zeichen reichen nicht aus, um Mose für seinen Auftrag zu begeistern. Er ahnt wohl schon, was auf ihn zukommt. Mose entgegnet Gott, er sei für diesen Auftrag nicht redegewandt genug. Gott redet ihm zu: So geh nun hin, ich will mit deinem Mund sein und dich lehren, was du sagen sollst. Mose bleibt stur: Mein HERR, sende, wen du willst, aber nicht mich.
Da reißt Gottes Geduldsfaden und er wird sehr zornig über soviel Renitenz seines Auserwählten. Er stellt ihm den sprachgewandten Aaron zur Seite. Aaron soll zum Sprachrohr Moses werden. Und weiter erklärt Gott Mose: Und ich will mit deinem und seinem Munde sein und euch lehren, was ihr tun sollt. Und er soll für dich zum Volk reden; er soll dein Mund sein, und du sollst sein Gott sein (2.Mose 4,16).
Ja, so steht es da. Gott gibt Mose göttliche Prokura. Er sagt tatsächlich zu ihm: Du sollst für Aaron Gott sein. Er gibt ihm als Insignium seiner göttlichen Macht einen Stab, einen Stab, mit dem er Wunder bewirken kann, der für seine Macht steht. Mose wird mit der Macht Gottes ausgestattet. So wie später Jesus.
Mose nimmt seine Frau und seine Söhne und führt sie auf einem Esel nach Ägypten, den Stab Gottes in seiner Hand (2.Mose 4,20). Auch Joseph führt einen Esel mit Frau und Kind nach Ägypten. Der Stecken und Stab, den Jesus in der Hand hat, ist der Stecken und Stab des Trostes.
Man ahnt, dass Mose sich hier zu einer schwierigen Mission aufmacht, Schafhirte gegen Pharao. Aber, es wird noch schwieriger, als es so schon scheint. Gott hat seine eigenen Spielregeln. Er verstockt das Herz des Pharaos, so dass er die Israeliten nicht ziehen lassen wird. Das ist von vornherein klar, Gott ist Mose gegenüber darin ganz transparent. Er verschweigt nichts. Mose soll dem Pharao ausrichten: Israel ist mein erstgeborener Sohn und wenn du meinen Sohn nicht ziehen lässt, will ich deinen erstgeborenen Sohn erwürgen.
Lieber Luther, das verspricht noch spannend zu werden. Ich habe das Gefühl, ich habe noch gar nicht angefangen von dem zu schreiben, was ich eigentlich schreiben wollte. Mein Notizzettel ist noch völlig unabgearbeitet. Die in der Bibel beschriebene neue Ära mit Gott macht schon nach wenigen Kapiteln betroffen. Mord, Totschlag, Flucht, Unglaube, Renitenz gegen den Auftrag Gottes, ein Gott, der verstockt und die Ohren verschließt. Fast hat man den Eindruck, ab Mose ist Gott mit seinem Volk in der Lebenswirklichkeit angelangt, Gott macht sich auf eine lange Glaubensreise mit seinem ungläubigen Volk.
Den Brief geschlossen und die Frage völlig offen: Was passiert da bloß?
Aus meiner Antwortsuche hoffentlich bald mehr.
Herzliche Grüße
Deborrah

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