Lieber Luther

Lieber Luther

Sonntag, 9. März 2014

HERRlichkeit

Lieber Luther,
wenn man die Exodus –und Levitikus-Kapitel in der Bibel liest, die kapitellangen Beschreibungen, wie das Heiligtum zu bauen ist und wann welche Speis-, Trank-, Sündopfer etc in welcher Weise darzubringen sind, dann fragt man sich, sagt mir das heute noch etwas? Insbesondere die Kapitel über die Opfer triefen vor Blut. Manch einen wird es angeekelt verschütteln, wenn er das liest. Wieso steht das in der Bibel? Wieso in der Ausführlichkeit?
Lange hatte ich Zweifel. Aber, es ist wie immer mit der Bibel, nachdem ich Kapitel um Kapitel an mir vorbeiziehen habe lassen, ist mir im Lichte des Morgens heute morgen doch der Sinn aufgegangen.
Blenden wir zurück. Es herrscht eine Hungersnot über große Landstriche hinweg. In Ägypten waltet zum Segen aller der verkaufte Joseph. Also zieht das Haus Jakob unter der Protektion Josephs zu den Ägyptern, um nicht zu verhungern, als Fremdlinge in die Fremde. Über die Jahre vermehren sich die Hebräer stark, Ägypten überfremdet nach dem Empfinden des neuen Pharaos. Natürlich hat Gott seine Finger im Spiel. Er will zeigen, dass er der HERR ist und so kommt es zum Machtkampf, den natürlich Gott gewinnt. Schließlich, verzichtet der Pharao auf die Arbeitskraft der Hebräer und lässt sie aus Ägypten gehen.
Was war der Sinn der Übung, wieso hat Gott dem Pharao das Verständnis verschlossen und warum mussten die zehn Plagen über Ägypten kommen? Gott erklärt es Mose: Ich bin der HERR und bin erschienen Abraham, Isaak und Jakob als der allmächtige Gott; aber mein Name HERR ist ihnen nicht offenbart worden (2.Mose 6, 2). Es geht darum, dass Gott zwar als Gott bekannt ist, aber seine Herrschaft und Herrlichkeit ist noch nicht etabliert in dieser Welt, es ist bisher nur Einzelnen bekannt, was er vermag. Bis dahin hatte Gott noch kein Volk, er hatte ein Haus.
Deshalb erklärt Gott Mose weiter: Ich will euch annehmen zum Volk und will euer Gott sein, dass ihr erfahren sollt, dass ich der HERR bin. Er will sein Volk sammeln und es in sein gelobtes Land führen, er will sein Volk aus den Beschwernissen führen, es erlösen durch seinen ausgestreckten Arm und große Gerichte (2.Mose 6, 6-7). Gott will durch Zeichen, Wunder und Taten zeigen, dass er der HERR ist, er will seine HERRschaft und seine HERRlichkeit aufrichten. Er tritt aus dem Haus Jakob heraus und wird Gott des ganzen Volkes Jakob, das der Hausgröße entwachsen ist. Gott macht sich offenbar als HERRscher seines Volkes.
Vor diesem Hintergrund ist auch das Weitere zu verstehen. Eine solch große Menschenzahl ist nicht mehr wie ein Haus zu führen, es bedarf der verbindlichen Regeln des Zusammenlebens, aber auch der verbindlichen Regeln des Lebens mit Gott. Ganz offensichtlich wird das, als Mose, wie von Gott befohlen, für 40 Tage auf den Berg Sinai steigt. Was sich dann abspielt, ist kaum zu glauben. Aaron, der von Gott erwählte Priester, der zurückgeblieben war, der Stellvertreter Moses, mit aller Autorität ausgestattet, baut auf Verlangen des Volkes ein goldenes Kalb, um es anzubeten. Aaron hat nicht die Kraft und Einsicht, gegenzuhalten und das zu verhindern (2.Mose 32, 1-6). Es ist offensichtlich, dass Regeln her müssen, um Gott Gott sein zu lassen. Genau dashalb hat er auch Aaron das Kalb bauen lassen: Die Natur des halsstarrigen Volkes Gottes sollte sichtbar und gebrandmarkt werden.
Gott hat das schon vorhergesehen. Alles, was er Mose auf dem Berg hat verstehen lassen, ist darauf gerichtet, das Wesentliche "mit dem Finger Gottes" auf zwei steinerne Tafeln geschrieben. Als Gott gewahr wird, dass sein Volk in Moses Abwesenheit schon von ihm abgefallen ist, schickt er Mose vom Berg, um Gott wieder Gehör zu verschaffen. Als Mose sieht, was passiert ist, zerbricht er vor Zorn die Gesetzestafeln (2.Mose 32, 19). Den Zorn Gottes hatte er vorher schon umgebogen. Er hatte vor Gott für sein Volk gefleht, und – was sehr selten ist – Gott ließ sich von Mose umstimmen: Also gereute den HERRN das Übel, das er drohte seinem Volk zu tun (2.Mose 32, 14).
So macht sich Mose unverzüglich daran, durch Regeln und Riten eine Ordnung aufzubauen, die das Volk offensichtlich brauchte, um einigermaßen friedlich zusammenzuleben und glauben zu können. Es brauchte sichtbare Zeichen auch der Gottesherrschaft. Um zu verhindern, dass das Volk goldene Kälber baut und falsche Götter anbetet, baute er als sichtbares Heiligtum die Bundeslade, das Priestertum wurde eingeführt, mit Aaron als erstem Priester, quasi eine Standesordnung errichtet. Die Priester sollten sichtbar Priester sein, mit prächtiger Ausstattung an Gewändern Gottes HERRlichkeit repräsentierend, herausgehoben vom Volk, ernährt durch die dargebrachten Speiseopfer. Dann wurden Opferriten eingeführt, die in allen Einzelheiten beschrieben sind, zur Versöhnung von den Sünden und den Missetaten des Volkes.
Diese so Blut triefenden Opfer haben es in sich, lieber Luther. Es lohnt sich sehr, hinter die Oberfläche zu schauen. Davon will ich dir – damit ich dir heute die Zeit nicht zu lange stehle - morgen berichten. Vor dem beschriebenen Hintergrund werden sie verständlich und haben auch heute noch eine Aussage und Botschaft und auch eine Verbindung zu Jesus.
Lieber Luther, apropos Botschaft, aber da sage ich dir sicher nichts Neues: Es geht – wie ich schon öfter geschrieben habe – auch in diesem Bibelabschnitt ganz und gar nicht um einen Historienbericht, es geht darum, verständlich zu machen, zu verbildlichen, was der Kern des christlichen Glaubens, des Glaubens an unseren Gott ist. In den Mosekapiteln soll uns verständlich gemacht werden, was "Gottes HERRschaft" heißt. Wie sollten wir es auch sonst wissen?
Herzliche Grüße
Deborrah

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