Lieber Luther

Lieber Luther

Donnerstag, 31. Oktober 2013

Lutherdekade - Gedanken zum Reformationstag 2013

Lieber Luther,
erinnerst du dich? Wir zwei feiern heute Geburtstag. Genau seit einem Jahr korrespondieren wir. Vor einem Jahr habe ich dir geschrieben, aus meinem Zorn heraus, dass der Reformationstag deinen evangelisch – lutherischen Kirchen keinen Gottesdienst mehr wert ist. Ein inneres Bedürfnis, das ich verspürt hatte, aber ins Leere lief und sich deshalb in anderer Weise Bahn gebrochen hat.
Ich habe gerade auch nochmals die 95 Thesen, die ich vor einem Jahr aufgeschrieben habe, gelesen. Jede einzelne ist noch genauso gültig und stimmig für mich wie letztes Jahr, vielleicht noch mehr.
Heißt das, keine Veränderung? Das kann man nicht sagen. Was den Zustand deiner Kirche anbelangt, sicher nicht, da geht es eher weiter bergab. Deine katholischen Brüder erleben mit der eigenen Zunft ein Waterloo nach dem anderen. Wie ich letztes Jahr schon schrieb, krankt der Patient Kirche schwer an sich selber,
an den eigenen Abgründen,
am Geblendet-sein vom Tand. von fremden Göttern, von Blendern,
am verheerenden Zustand der Institution Kirche,
an der sittlich, geistlich und spirituellen Erosion der kirchlichen Rolleninhaber.
Äußere Schätze stehen vor inneren,
der Umgang der Amtskirche mit Kritikern und Abweichlern ist nach wie vor unsäglich.
Es dominiert entgeistigter Zeitgeist,
billig produzierte geistige Wellness von der Stange oder Internet.
Die Litanei ist unverändert seit letztem Jahr, angereichert mit aktuellem Anschauungsunterricht, in dessen Folge sich viele Kirchenmitglieder mit Grausen abwenden und die Beine in die Hand nehmen.
Auch du bist in vieler Munde, schließlich sind wir in der sogenannten Lutherdekade. Deiner Reformation zu gedenken, reicht schließlich kein Tag oder Jahr, man braucht schon ein Jahrzehnt. Vielleicht wirst du einfach auch nur in Beschlag genommen, um im Gespräch zu bleiben. Schon bei der Benennung dieser Dekade haben die Absetzbewegungen von dir eingesetzt, wie bezeichnend.
"Luther"-Botschafter will man nicht sein (Frau Käßmann) und von "Luther"-Dekade nur in Gänsefüßchen reden, man spricht von unangemessener Engführung auf eine Person – du bist gemeint. Und – wie kurios – das EKD-Projekt "Reformdekade" ja nicht mit der Luther-Reformationsdekade verwechseln. Nichts als Eitelkeiten, lieber Luther, aber immerhin restaurierte Kirchen und Plätze. Dir würde grausen, ob all der Indienststellung deines Namens für ganz unheilige Zwecke.
Die Großen kümmern sich unverändert nach wie vor um Prunk und schönen Schein, das Fußvolk ringt, ziemlich allein gelassen, um den Glauben, versucht in der Wüste und Einöde die suchenden Seelen nicht verhungern zu lassen, immer in Gefahr selbst zu verhungern. Das nährende Brot, die Unterstützer sind rar, es herrscht, insbesondere unter den Berufskirchlichen, viel geistige Dürre. Ein Ausdruck, der eher in deine Zeit passt, der aber den Kern genau trifft.
Als guten Aufhänger nimmt man dich gern. Heute beginnt ein neues Jahr in der ausgerufenen Luther(????)dekade mit dem Schwerpunkt "Reformation und Politik", innere und äußere Freiheit, Paradies und Politik. Was hat das Ganze eigentlich mit Glauben zu tun? Interessiert das Ganze eigentlich jemanden außerhalb derjenigen, die Teil der Fest-Inszenierung sind und derjenigen, die politikhalber mitspielen, die innerkirchlichen und außerkirchlichen Profiteure? Interessiert eigentlich die Masse der Gläubigen oder nur die Kasse?
Lieber Luther, letztes Jahr war ich voller Zorn über den Zustand deiner Kirche. Er hat sich nicht gebessert. Im Gegenteil. Wenn ich auf mein eigenes "Kirchenleben" blicke, so mag im Augenblick weder Kampfgeist, noch Andacht, noch Geist aufkommen, nur noch ein schwarzes Loch. Ich laufe nicht einmal mehr ins Leere oder auf, ich laufe gar nicht mehr hin. Eigentlich nur noch Trauer.
Wenden wir den Blick lieber ab. Schauen wir doch lieber in die Bibel. Da finde ich den Tröster, der hilft mir weiter, als der Blick auf Kirche. Deshalb Schluss nun, damit noch Zeit für das Wesentliche bleibt.
Reformatorisch gestimmt,
herzliche Grüße
Deborrah

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