Lieber Luther,
heute ist 31.Oktober 2012. Was würdest du erwarten?
Gottesdienst heute?
Fehlanzeige.
Fehlanzeige.
Ein Abendmahl?
Das letzte war Anfang August?
Auch reklamieren hat nichts genutzt.
Fehlanzeige.
Das letzte war Anfang August?
Auch reklamieren hat nichts genutzt.
Fehlanzeige.
Am liebsten würde ich meinen zornigen Protest an die verschlossene Kirchentür meiner evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde nageln. Wie du vor fast 500 Jahren. Wie gut kann ich deinen Zorn verstehen.
So will ich die Zeit nutzen und mich allein mit dir auseinandersetzen. Studierstube anstatt Kirchgang. Vielleicht verraucht ja dabei auch mein Zorn.
Wie war das nochmal mit deinen 95 Thesen?
Du sprichst darin vom Umgang mit den eigenen Abgründen, mit der eigenen Sterblichkeit, vom Geblendet-sein vom Tand. von fremden Göttern, von Blendern, vom verheerenden Zustand der Institution Kirche, von der sittlich, geistlich und spirituellen Erosion der kirchlichen Rolleninhaber. Du stellst innere Schätze gegen äußere Werte und wetterst gegen den unsäglichen Umgang der Amtskirche mit Kritikern und Abweichlern. Du stemmst dich gegen den Zeitgeist, gegen billig erkaufte geistige Wellness.
Stattdessen forderst du, Christus auf dem dornen- und leidvollen Weg durch Tod und Hölle nachzufolgen. Welch ein Kontrastprogramm.
Das eckt an, da fühlen sich viele auf das Kirchenkleid getreten. Das hieße ja, die Komfortzone aufzugeben. Du hältst den Spiegel so hartnäckig vor, dass man nicht mehr wegschauen kann. Da hilft nur noch abwerten und ausgrenzen.
Du sprichst Klartext. Das Volk versteht deine direkte Sprache. Du triffst den Nerv der Zeit. Sie schikanieren dich, aber du lässt dich nicht bremsen.
Wie dringend würden wir dich heute brauchen. Einen, der das Volk anspricht und den das Volk hört. Einen der aufrüttelt. Einen, der nicht mit dem Strom schwimmt.
Die institutionelle Kirche löst sich in Anpassung an den Zeitgeist selbst auf. Sie diskutieren tatsächlich, ob du die 95 Thesen wirklich angeschlagen hast. Als ob das eine Rolle spielen würde. Als ob das wichtig wäre. Als ob das einen Unterschied machen würde.
Was du geschrieben hast, stimmt heute noch. Kaum Veränderung in 500 Jahren. Veränderung in der Sprache, in der äußeren Ausprägung, aber nicht im Tenor.
Wie und wo würdest du heute deine Stimme erheben? Mit welchem Medium sprechen? Wie würdest du heute deine Thesen formulieren? Wohin würdest du die Aufmerksamkeit der Menschen lenken? Was würde deinen Zorn erwecken? Was würdest du brandmarken? Oder wärst du angepasst? Würdest du resignierend den Mund halten?
Das glaube ich bei deinem Temperament eher nicht. Ich habe deine 95 Thesen in den heutigen Zeitgeist transponiert. Über deine Stellungnahme würde ich mich freuen.
Herzlich Deine
Deborrah
Deborrah
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