Lieber Luther

Lieber Luther

Sonntag, 31. Mai 2015

Abnabelung

Lieber Luther,
nachdem ich dir über den heutigen Predigttext (Joh 3, 1-11), Jesu Belehrung des Nikodemus, schon zu Himmelfahrt geschrieben haben, finde ich Zeit, das Thema, das mich seit Wochen beschäftigt, weiter zu verfolgen. GEIST, WORT und PREDIGT, das ist die Trinität, über die heute, an Trinitatis, nachgedacht werden sollte, anstatt über Kirchenlehren, die von 3 Personen in einer Person fabulieren.
Nachdem ich mein Bibelleseprojekt abgeschlossen habe, erschließe ich nach und nach andere Schatzkästlein, apogryphe Texte. Und wie es so will kommt mir ein Text unter die Augen, der nahtlos an das anschließt, was ich dir letzte Woche geschrieben habe, es ist der "Brief des Jakobus" aus den Texten aus Nag Hammadi (NHC, 1, 2). Was dort steht, die Botschaft, wird wohl nicht in einen Blog passen. Es lohnt sich in jedem Fall. Es ist ein ganz erstaunlicher Text mit noch erstaunlicher Botschaft.
Zunächst eine Vorbemerkung. Der Text ist nur in einer Abschrift in einem koptischen Dialekt überliefert, mit einigen Lücken. Da ich nicht überraschend diesen Dialekt nicht spreche, stellt sich wieder einmal das Problem der Übersetzungen. Ich habe diesen Text nun in deutscher Übersetzung und 3 verschiedenen englischen gelesen, die deutsche Übersetzung in der Fassung von Hartenstein/Plisch. Es ist, um es vorwegzunehmen, die Schlechteste. Wieso? Die Autoren sagen es selbst: "Für Außenstehende – auch für uns heute – ist die EpJac dagegen oft nicht ohne weiteres verständlich" (Kaiser/Bethge 2013, S.11). Genauso ist übersetzt, ohne Sinn und Verstand oft Buchstaben aneinandergereiht. Ironischerweise – oder auch nicht – ist gerade das das Thema des Jakobusbriefes. Ich empfehle eine der Fassungen der englischen Übersetzung, ich bevorzuge diejenige von Meyer/Barnstone. In der deutschen Übersetzung wurde zudem der Fehler gemacht, in einer heutigen (!) Übersetzung, die von Luthers Übersetzung geprägte Bibelsprache nachahmen zu wollen. Das kann nur misslingen. Die ganze verfehlte Theologie des Tendenzbetriebs evangelische Kirche fließt in die Übersetzung mit ein, anstatt in der heutigen lebendigen Sprache zu übersetzen, was dasteht. Es wäre die Chance einer Korrektur gewesen, was die Bereitschaft voraussetzt, von Irrlehren abzurücken. Das fällt Theologen bekanntlich schwer, auch wenn sie sich dadurch ins Abseits stellen. Aber das nur am Rande, die Wissenschaftlerin geht wieder mit mir durch, weil diese Übersetzung ein einziges Ärgernis ist. Sie will in alt bekannter Manier vertuschen, Kirchenlehren transportieren, anstatt Wortverständnis wachsen lassen. Dass das fehlt, haben die Übersetzer selbst eingeräumt.
Wie schon angedeutet, geht es genau darum in diesem Jakobusbrief, um Geist, Wort, Predigt und geistgeleitete Eigenverantwortung für das Wort. Es ist, als würde uns dort der Spiegel vorgehalten. Deshalb passt dieser Text genau. Zufälle gibt es nicht. Worum geht es? Es ist notwendig, den Text im Zusammenhang zu lesen, nur dann versteht man ihn auch.
Es geht um eine Belehrung, die Jesus seinen noch verständigeren unter den unverständigen Jüngern – Jakobus und Petrus - zugemutet hat. Sie wollen ihre Verantwortung und Aufgabe nicht annehmen, verstehen weder Wort noch das Werk, das von ihnen erwartet wird. So wäscht Jesus ihnen unverblümt den Kopf und tritt sie, die sich sklavisch an ihn klammern, in den Hintern, damit sie endlich in die Gänge kommen, wollen sie das Himmelreich für sich und für andere gewinnen. Ihr seid Prediger, erinnert sie Jesus, redet endlich!
Die beiden Jünger sind jedoch auf einer ganz anderen Ebene unterwegs. Sie fragen ihn, Jesus ist schon gestorben und erscheint ihnen (NHC 1, 2; p.2, 7ff): Hast du uns verlassen und uns selbst überlassen? Nein, ich kehre dorthin zurück, von wo ich gekommen bin. Ihr könnt mit mir kommen, wenn ihr wollt. Die Jünger verstehen das falsch: Befehle es uns, dann folgen wir dir nach.
So geht das nicht, antwortet Jesus. Niemand gewinnt das Himmelreich, indem ich es befehle, sondern in dem ihr vollständig mit dem Geist des Vaters erfüllt seid. Wollt ihr nicht die Fülle haben? Eure Herzen sind trunken, vernebelt. Wollt ihr nicht klar sein, geklärt? Ihr solltet euch schämen. ERINNERT euch, ERINNERT euch von nun an, im Schlafen und Wachen, dass ihr den Menschensohn gesehen und ihm zugehört habt. Schande über euch, dass ihr den Menschensohn gesehen habt, dass ihr es nötig gehabt habt, um zu glauben, mich zu sehen. Segen wird auf denen sein, die glauben ohne dass sie den Menschensohn gesehen, mit ihm gewohnt, mit ihm gesprochen, ihn mit ihren eigenen Ohren gehört haben. Ihnen gehört das Leben.
Versteht, dass er euch geheilt hat, als ihr krank wart, damit IHR regieren möget, die Herrschaft des Geistes, des Vaters, antretet und vertretet auf Erden. Schande auf die, die von ihrer Krankheit genesen sind und sich deshalb befreit fühlen, sie werden wieder in Krankheit verfallen. Segen auf die, die nicht erst krank geworden sind, sondern die Befreiung kannten, bevor sie krank wurden. Ihnen gehört das Himmelreich.
Deshalb sage ich euch, füllt euch mit dem Heiligen Geist an bis an den Rand, lasst nicht auch nur den kleinsten Raum leer, er wird ansonsten gefüllt werden vom Bösen und ihr dient zur Belustigung des Bösen, werdet zum Spielball des Versuchers. Das ist es, was meint: Ärgert dich deine rechte Hand, so haue sie ab und wirf sie von dir. Es ist dir besser, dass eins deiner Glieder verderbe, und nicht der ganze Leib in die Hölle geworfen werde (Mt 5, 30; Mk 9, 43).
Was heißt es aber, sich anzufüllen mit der Fülle? Jesus versucht die Jünger verstehend zu machen. Etwas später sagt er (p.7): Ich habe zu euch in Gleichnissen gesprochen und ihr habt nicht verstanden. Jetzt rede ich zu euch offen und ihr versteht immer noch nicht. Ihr seid selbst eine Parabel als Rahmen für die Gleichnisse, an euch ist offenbart, wie die Sache des Glaubens steht. Nicht nur an meinem Wort, an den Gleichnissen, kann man lernen, auch an euch und eurem Nichtverstehen kann man lernen.
Seid begierig, gerettet zu werden, ohne dass ihr dazu durch Not und Leid gezwungen werdet. Tut es freiwillig, tut es immerzu. Seid SELBST stets eifrig im Glauben, überflügelt mich, wenn möglich. Dafür wird euch der Vater lieben.
Hasst Scheinheiligkeit, Heuchelei, vermeidet, dass das Böse, die Versuchung, euer Ego, in euch Raum bekommt. Es bringt die Scheinheiligkeit und die Heuchelei hervor. Heuchelei, Scheinheiligkeit und Wahrhaftigkeit schließen einander aus.
Lasst das Himmelreich in euch nicht verkümmern. Ihr lasst es wie einen Palmsprössling, nachdem er gekeimt, ausgetrieben, angefangen hat zu grünen, vertrocknen, so dass es nicht weiter wachsen kann. Macht es nicht zu einer Frucht, die sich nur aus einer Wurzel speist. Sie wird geerntet, wird von Hand zu Hand gereicht, schmeckt vielen, aber wie wächst das Himmelreich weiter?
Indem IHR euch füllt. Petrus entgegnet wie so oft auf falscher Spur: Drei mal hast du uns gesagt "seid gefüllt", aber wir SIND gefüllt. Er hat nicht verstanden, um was es Jesus geht. Er hat nicht verstanden, dass er eigentlich schon verstehen müsste, was ihm unverständlich ist, wenn er mit dem Geist angefüllt wäre. Deshalb versucht Jesus ein weiteres Mal, ihn verständig zu machen: Nimm es als Ratschlag, dass du immer darauf achtest, dass du immer bis an den Rand mit dem Geist gefüllt bist. Diejenigen, die das nicht sind, denen es an Geist mangelt, werden nicht gerettet. Wenn der Geist fehlt oder abnimmt, fehlt das Gute in euch. Umgekehrt ist es gut für euch, wenn es des Bösen, der Versuchung mangelt, und gut für euch, wenn ihr nicht erst mit dem Gut des Geistes gefüllt werden müsst. Sobald es eines An- und Auffüllens, eines Ausgießen des Geistes, bedarf, herrscht ein Mangel.
Bei jedem äußert sich der Geistmangel in anderer Weise. Aber der angefüllt wird mit Geist, auf den er ausgegossen wird, der wird es zu einem guten Ende bringen. Darum solltest du anstreben, dass es dir nur dann an Geist mangelt, wenn du DICH SELBST wieder anfüllen kannst, du selbst die sich auftuende Lücke schließen kannst, und angefüllt wirst, wenn es dir an dieser Fähigkeit mangelt, damit du lernst, dich mehr und mehr selbst anzufüllen, lernst, den Geist in dir lebendig zu halten, so dass sich kein Mangel mehr auftut, dass du nicht mehr auf mich angewiesen bist, dass ich dir das Wort erkläre und du mir nur zuhörst. Werde endlich selbständig im Glauben, im Aus- und Einfließenlassen des Geistes, im Hören des Wortes und im Predigen. Sei angefüllt mit dem Geist, aber meide die Vernunft, das Suchen nach Erklärungen. Denke nicht in Ursache und Wirkungen, denn das ist ein Ausdruck der Seele, die fleischgetrieben ist. Das IST Seele. Lass dich nicht von der fleischgetriebenen Seele auffüllen, sondern vom Geist, damit du selbst mit Geist füllen kannst, wo er fehlt. Emanzipiere dich endlich von mir.
Lieber Luther, man sieht Jesus förmlich, wie er seine lethargischen Nachfolger packen und aufrütteln will. Wacht endlich auf! Lebt GEIST, WORT, verständige PREDIGT. Jesus beklagt in diesem "Brief des Jakobus" (NHC 1,2) die Unverständigkeit derer, die als die Stütze seiner Lehre gedacht sind, ihr klammern an ihn als Person, ihre mangelnde Ausgerichtetheit und Geleitetheit von Wort und Geist, ihr Unverständnis des Wortes und Geistes an sich. Er fordert zur Selbständigkeit im Glauben auf, zur Unabhängigkeit von ihm selbst im Denken und im Verständnis. Der Jesus, der in diesem Brief zum Vorschein kommt, ist keiner, der sagt, alles hängt an mir, alles muss auf mich ausgerichtet sein, ihr müsst euch alle an mich hängen, damit ihr das Himmelreich gewinnen könnt. Ganz im Gegenteil. Er versucht seine beiden leitenden Jünger von sich abzunabeln, weil sie es selbst nicht tun, indem er ihnen ein paar unbequeme Wahrheiten ins Stammbuch schreibt. Wie spannend. Davon weiter im nächsten Brief.
Herzliche Grüße
Deborrah
Die deutsche Fassung des Textes stammt aus:Judith Hartenstein/Uwe-Karsten Plisch: Der Brief des Jakobus (NHC 1,2), in: Ursula Ulrike Kaiser/ Hans-Gebhard Bethge (Hrsg): Nag Hammadi Deutsch, Studienausgabe, 3. Auflage, Berlin 2013, S.10-17.

Montag, 25. Mai 2015

Heiliger Geist - Pfingsten

Lieber Luther,
heute ist Pfingsten, das Geistfest der Kirchen. Ich habe mich schon viele Male mit dem Geist beschäftigt. Das Wirken des Geistes Gottes ist ein zentrales Element unseres Gottesglaubens. Pfingsten ist eine Erinnerung daran. Pfingsten findet allerdings als sichtbares Ereignis nur in der Apostelgeschichte statt (Apg 2, 1-47), am 49. Tag nach Ostern, am Tag an dem die Juden Schwuot feiern, den Tag der Offenbarung der Tora an das Volk Israel. Es ist sozusagen ein zu einem christlichen Fest umgemodeltes jüdisches Fest. Anstatt Tora, betrachtet man die Aussendung des Heiligen Geistes auf die Apostel und Jünger als Initiation der Kirchengründung. Der vorhandene jüdische Feiertag wurde, wie so mancher heidnische, christlich uminterpretiert.
Bei Lukas öffnet Jesus den Jüngern am Ende das Verständnis, damit sie sein Wort und die Schrift in seinem Sinne verkünden konnten (Lk 24, 45-49): Ihr aber seid des alles Zeugen. Und siehe, ich will auf euch senden die Verheißung meines Vaters. Ihr aber sollt in der Stadt Jerusalem bleiben, bis ihr angetan werdet, mit der Kraft aus der Höhe. Der Heilige Geist, die Kraft aus der Höhe ist etwas, das noch kommt. Da in der Regel angenommen wird, dass der Verfasser der Apostelgeschichte der gleiche ist, wie derjenige, der das Lukasevangelium geschrieben hat, findet in der Apostelgeschichte eine Erklärung, was im Lukasevangelium mit offenen Ende stehen bleibt. Natürlich entstanden daraus Fragen: Was ist die "Kraft aus der Höhe" und vor allem: Wann kommt sie? Wie lange haben die Jünger in Jerusalem zu warten? Wie merken sie, dass die Kraft aus der Höhe kommt?
Auch im Johannesevangelium, dem heutigen Predigttext, wird ein direkter Bezug zwischen Wort, Predigt und Geist hergestellt: Aber der Tröster, der Heilige Geist, welchen mein Vater senden wird in meinem Namen, der wird euch alles lehren und euch erinnern alles des, das ich euch gesagt habe (Joh 14, 26-27). Auch im Johannesevangelium bleibt offen, wann der Geist denn kommt.
Die Evangelien bei Matthäus und Markus enden mit der Aussendung der Jünger durch den Auferstandenen, um zu predigen und im Namen des Vaters, und des Sohnes und des Heiligen Geistes zu taufen und alles zu lehren, was er ihnen gelehrt hat. Der Geist ist schon da, er braucht nicht mehr erst zu kommen. Er wird unterstellt. Aber auch hier wird ein Bezug zur Lehre hergestellt.
Geist und Lehre, Geist und Gottes Wort sind verknüpft. Nur wer den Geist hat, versteht und kann das wahre Wort Gottes lehren. Deshalb auch die eifrigen und eitlen Bemühungen desPaulus, sich und seine Lehre durch den Geist zu rechtfertigen. Paulus war ein Machtmensch, er wusste, worauf es ankommt. Nur der Geist kann die Legitimation bringen.
Das kirchliche Pfingstfest vermischt alle Theologien zu einem unklaren, ungeklärten Brei und ist deshalb auch den Gläubigen schwer zu erklären, wohl verstehen es viele Prediger selbst nicht, was die merkwürdige Kraftlosigkeit, ja Hilflosigkeit, vieler Pfingstpredigten erklärt. Was der Prediger nicht versteht, kann er dem Gläubigen auch nicht glaubwürdig und überzeugend vermitteln. Was meint nun der "Heilige Geist", die Kraft aus der Höhe?
Der Geist ist von Gott ausgeschüttet, schon vor allem menschlichen Anfang: Und die Erde war wüst und leer, und es war finster auf der Tiefe; und der GEIST Gottes schwebte auf dem Wasser (1.Mose 1, 2). Die Schrift fängt mit dem Geist an, die erste Äußerung Gottes, die wir kennen, ist Geist, das Sein von Gottes Geist in der Leere, in der Finsternis, sein Schweben auf dem Wasser. Geist ist Gottesäußerung, Gotteswirken, Gottes-Sein, sein Schweben über den Dingen, Gottes Geist ausgegossen in den leeren, Menschensinn entleerten, nur seienden Himmel und Erde. Geist ist neben dem Wort die wesentliche Äußerung des schöpferischen Aktes Gottes, das, worin sich das Göttliche im Materiellen äußert und vom Materiellen unterscheidet.
Deshalb ist es auch nur logisch, dass Gott, als er den Menschen schafft, ihm seinen Atemhauch, seinen Geist, einhaucht, um ihn zu einem göttlichen Menschen zu machen, der ihn von einem mit Verstand versehenen Tier unterscheidet. Mit dem göttlichen Atemhauch, mit seinem Geist, fließt Göttlichkeit in den Menschen ein. Mit dem Verstand kommt aber auch der Eigenwille des Menschen, der ihn ablenkt von seiner Göttlichkeit, ihn seinen göttlichen Ursprung vergessen lässt. Ich habe dir, lieber Luther, davon erst kürzlich ausführlichst mehrfach im Zugemeiner Auseinandersetzung mit der Schöpfungsgeschichte geschrieben. Ich brauche das hier nicht alles wiederholen.
Es führt summa summarum dazu, dass sich der Mensch von Gott abwendet und den menschlichen Versuchungen nachgibt: Da sprach der HERR: Mein GEIST soll nicht immer in den Menschen streiten, da sie ja auch Fleisch sind (1.Mose 6, 3). Gott anerkennt, dass sein Geschöpf Mensch, solange es Fleisch ist, auch fleischlich getrieben ist. Es ist ein AUCH. Das heißt aber auch implizit, in den einen mag er streiten, in den anderen nicht. Das ist in der Schrift mannigfach verbrieft: Gott hat immer wieder Menschen erwählt, in denen sein Geist für ihn gestritten hat.
Von vielen Menschen ist in der alten Schrift berichtet, dass sie vom GEIST Gottes erfüllt wurden, Joseph etwa (1. Mose 41, 38-39): Pharao sprach: Wie könnten wir einen solchen Mann finden, in dem der GEIST Gottes sei? Weil dir Gott solches alles hat kundgetan, ist keiner so verständig und weise wie du. Das anerkennt einer, der andere Götter hat. Mit Gottes Geist ist immer Weisheit und wahres, gerechtes Wort verbunden, immer auch die Fähigkeit weiszusagen, das heißt mehr als andere in die Zukunft zu sehen, für die Wahrheit Gottes zu streiten. Das bringt unweigerlich mit sich, gegen die zu streiten, in denen der Geist von ihrer menschlich-fleischlichen Getriebenheit verschüttet ist. Den Geist in sich streiten lassen, heißt, sich vor dem Konflikt nicht scheuen. Geistgetriebene Menschen zeugen davon durch Jahrtausende. Geist äußert sich in wahrem Wort, Geist äußert sich in vor Gott rechtem Handeln, in von Gott gesegneten Taten, in der Wahrung seiner Wahrheit, was nicht menschlich getriebene Wahrheit sein muss.
Von den Richtern, von denen im Buch Richter berichtet wird, heißt es immer: "Da kam der GEIST des HERRN auf ihn" (z.B. Ri 3, 10; 6,34; 14, 6). Von David heißt es: Da nahm Samuel sein Ölhorn und salbte ihn mitten unter seinen Brüdern. Und der GEIST des HERRN geriet über David von dem Tage an und darüber hinaus (1. Sam 16, 13). Gottes Geist hat mit Erwählung zu tun. Alle, von denen berichtet wird, dass Gottes Geist über ihnen ist, sind von Gott "erweckt" worden, erwählt, sein Sprachrohr, sein Zungenschwert, seine Streitaxt im Wort und in der Tat zu sein. Sie waren immer unbeirrbar in ihrem geistgetriebenen Weg, wie sehr sie auch darunter litten. Wie sich das im Einzelnen äußerte, ist unterschiedlich: die einen waren Verkaufte, wie Joseph, andere Streiter wider Willen und doch demütig, wie Mose, Gottgeweihte wie Samuel, Normalbürger wie Hiob oder Jona, Aufsteiger wie David, der vom Hirten zum König wurde, Propheten wie Elia oder Jesaja, meistens alle an der Welt Leidende, wie bei Jeremia kaum erträglich gezeigt. Oder: Jesus.
Jesus lässt sich lückenlos hier einreihen. Jesus bringt aber etwas Neues: Jesus ist GEIST UND WORT, Jesus ist völliger Gottesmensch, das reine Ebenbild Gottes, er ist reine Schöpfung. Die Männer (und Frauen), die in der Alten Schrift den Geist Gottes in sich streiten fühlten, beackerten den Alltag, versuchten Gottes Geist in ihrem jeweiligen sozialen Umfeld zu Gehör zu bringen. Sie waren Warner vor den Abwegen. Meistens vergebliche Warner.
Jesus ist Mittler zwischen dem nicht geistgetriebenen Menschen und Gott. Er bringt, was bisher nicht vorhanden war: Eine LEHRE von Gott, die in der Alten Schrift fußt, aber als Gotteslehre so nicht vorhanden war: alter Wein in neuen Schläuchen. Sein ganzes Sein war auf das Wort und die Bestätigung des Wortes durch Tat ausgerichtet, Geist getrieben streitend für Gott und sein Wort, völlig aufgehend in seinem Willen, nicht fleisch-, sondern geistgetrieben: Ich bin von oben, ihr aber seid von unten.
Das, was Mose gebracht hat, war keine Gotteslehre, es war eine Ordnung, auch eine soziale Ordnung, um die Menschen erst einmal hinter dem EINEN Gott zu sammeln und zu einer sozialen Gemeinschaft zu machen. Ohne diese Sammlung zu einem Volk Gottes wäre Jesus nicht denkbar. Sein ganzes Sein konnte nur sein nach dieser Sammlung hinter der mosaischen Ordnung, die Voraussetzung war für das, was durch Jesus folgte.
Es hat also, lieber Luther, mit dem Geist, dem manche an Pfingsten so ratlos gegenüber stehen, nichts Geheimnisvolles oder Unerklärliches auf sich. Am Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort (Joh 1, 1). Das Wort, die Gotteslehre, wurde durch Jesus gebracht, das wahre, geistgetriebene Wort ist Gottes Wortäußerung, übersetzt von Menschen, die sein Wort durch seinen Geist hören. Wer den Geist hat, hört und versteht und diejenigen, lieber Luther, in denen Gottes Geist streitet, können nicht anders als für ihn streiten, wieviel Leid es ihnen auch einbringt. Du kannst ein Lied davon singen. Genau das ist, was in den Evangelien und in der Apostelgeschichte, in welcher Variante auch immer, beschrieben wird. GEIST, WORT und PREDIGT, geistgetriebene Predigt und geisterfülltes Hören, das ist, lieber Luther, Pfingsten.
Geistlgetriebenes Hören und Verstehen kann man nicht erzwingen, aber man kann etwas dafür tun. Die meisten Geistgetriebenen der Bibel hatten ein Vorleben, mit wenig oder ohne Geist. Aber irgendwann erfüllte sie Gottes Geist, sind sie wieder aufgewacht, wurden sie zu Hörenden und Verstehenden und für Gott Streitende. Das kann jedem passieren, wenn er dazu bereit ist. Dann wird die Verschleierung des fleischlich-menschlichen weggezogen und Gottes Geist wird sichtbar, wie er in uns schwebt und wirkt wie auf einem klaren Wasser. So öffne uns, lieber Luther, der Geist das Hören und das Verstehen des Wortes, er mache uns bereit, dafür zu streiten und wandle uns zu einem geistgeklärten Heilwasser.
Herzliche Grüße
Deborrah

Freitag, 15. Mai 2015

Himmelfahrt

Lieber Luther,
die Menschen sind reichlich verwirrt, wenn es um Auferstehung, Himmelfahrt und Pfingsten geht. Sie sind verwirrt, weil sie nicht verstehen, was gezeigt werden soll, weil sie personal fleischlich denken. Wie weit dieses Denken von der Denke Jesus entfernt ist, habe ich dir schon viele Male geschrieben. Jesus interessiert das Fleischliche nicht, weil es vor Gott hinderlich ist. Er versucht immer das Augenmerk davon wegzulenken. So ist es auch mit seiner sog. Himmelfahrt. Was will mit diesem Bild gesagt sein?
Nikodemus ist Oberster der Juden und erkennt – als einer der wenigen seiner Zunft – Jesus. Er sagt: Niemand kann die ZEICHEN tun, die du tust, wenn Gott nicht mit ihm ist (Joh 3, 1-11). Jesus antwortet: Es sei denn, dass jemand von neuem geboren werde, so kann er das Reich Gottes nicht SEHEN. Was vom Fleisch geboren wird, das IST Fleisch; und was vom Geist geboren wird, das IST Geist. Deshalb sage ich dir, der du vom Fleisch geboren bist, du musst neu vom Geist geboren werden, damit du in das Reich Gottes kommen kannst. Aber: Der Wind bläst wo er will, du hörst sein Sausen wohl; aber du weißt nicht, woher er kommt und wohin er fährt. So ergeht es jedem, der aus dem Geist geboren ist.
Wie kann das zugehen? fragt Nikodemus. Wahrlich, wahrlich, ich sage dir, sagt Jesus, wir reden, was wir wissen, und zeugen, was wir gesehen haben; und ihr nehmt unser Zeugnis nicht an. Ihr glaubt mir nicht, wenn ich von Irdischem rede, wie willst du mir glauben, wenn ich von Göttlichem rede, das du nicht mit eigenen Augen siehst, mit eigenen Ohren hörst, mit deinem Verstand nicht fassen kannst? Und dann der Satz, der den Bogen zu Himmelfahrt schlägt: Und niemand ist hinaufgestiegen in den Himmel, denn der vom Himmel herabgestiegen ist, nämlich des Menschen Sohn, der im Himmel IST. Und wie Mose in der Wüste eine Schlange erhöht hat, also muss der Sohn des Menschen ERHÖHT werden, auf dass alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben.
Wie Mose in der Wüste die Schlange erhöht hat, so muss auch der Menschensohn erhöht werden. Mose stand wieder einmal einem rebellierenden Volk gegenüber. Es beschwerte sich über das dauernde Wüstenmanna, ihrer Seele ekelte es. Gott war über das Anspruchsdenken und die Verachtung gegenüber seinen Gaben erzürnt und schickte feurige Schlangen, heißt hielt den Versucher nicht ab, der vielen den Tod brachte. Dieses sichtbare Zeichen wurde dann verstanden, Demut kehrte ein – wir haben gesündigt. So baten sie Mose, für sie zu bitten. Mose bat immer für sein Volk, was immer sie taten. Gott sagte zu Mose: Mache dir eine eherne Schlange und tu sie auf einen Stecken; und es wird geschehen, jeder, der gebissen ist und sie ANSIEHT, der wird am LEBEN bleiben (4.Mose 21, 4-9).
Es geht um das Zeichen und es geht um das Sehen. Die Sünden werden auf Gottes Stecken gesteckt und sichtbar, sie werden erhöht auf dem Stecken, wer diese Erhöhung der Sünden sieht, der wird leben, wird vom Schlangenbiss gesunden, wird wieder heil werden. Die Schlange wurde sozusagen bildlich aufgespießt und indem die Sünden von den Sündern in der Erhöhung angesehen werden, gesunden sie. Sie müssen die Schlange auf dem Stecken ansehen, um zu gesunden. Dies ist nur möglich, weil Gott es möglich macht, ihnen auch den Blick für ihre Sünden schärft.
Jesus ist gefragt worden, wer er ist. Er sagt: Ich bin von oben her, ihr von unten her; ihr seid von dieser Welt, ich bin nicht von dieser Welt. Wenn ihr mir nicht glaubt, dass ich von oben bin, werdet ihr in euren Sünden sterben. Der mich gesandt hat, ist wahrhaftig und was ich von ihm gehört habe, das rede ich vor der Welt. Die Jünger verstanden dieses Wort nicht und so sagte Jesus: Wenn IHR den Sohn des Menschen ERHÖHT haben werdet, dann werdet ihr erkennen, dass ich es sei und nichts von mir selber tue, sondern wie mich mein Vater gelehrt hat, das rede ich. Und der mich gesandt hat, ist mit mir. Der Vater lässt mich nicht allein; denn ich tue allezeit, was ihm gefällt (Joh 8, 23-29).
Und es kam eine Stimme vom Himmel: ich habe ihn verherrlicht und werde ihn wieder verherrlichen. Das Volk ist verwirrt, wie kann das sein? Jesus sagt: die Stimme ist nicht um meinetwillen geschehen, sondern um euretwillen. Jetzt geht das Gericht über die Welt; nun wird der Fürst dieser Welt ausgestoßen werden. Und ich, wenn ich ERHÖHT werde von der Erde, so will ich sie alle zu mir ziehen. Und wieder ist das Volk unverständig: Es heißt doch, Christus bleibe ewiglich, wieso muss der Menschen Sohn dann erhöht werden? Wer ist dieser Menschensohn? Jesus versucht zu erklären: Es ist das Licht noch eine kleine Zeit bei euch. Wandelt euch, so lang ihr das Licht (noch physisch) habt, dass euch die Finsternis, das Böse, der Versucher nicht überfalle. Wer in der Finsternis wandelt, der weiß nicht, wo er hin geht, weil er in der Finsternis das Licht nicht sieht, das ihm den Weg weisen kann. Während ihr das Licht habt, glaubt an das Licht, damit ihr Söhne des Lichts werdet (Joh 12, 28-36).
Jesus will sagen: Ihr braucht keine eherne Schlange mehr als Zeichen und als Bild, mit dem ihr daran erinnert werdet, dass, wenn ihr eure Sünden anseht und bereut, Gott sie dann vergibt. Ihr habt mich, ihr habt Gottes Wort, das ich euch gebracht habe, ich bin das Licht, das ihr seht, das Brot, das ihr essen könnt. Bleibt im Wort und in der Wahrheit, dann ist der Fürst der Welt, die Schlange, vom Stecken gestoßen. Ich habe eine andere Qualität als eine eherne Schlange, ich bringe euch Gottes Wort, seine Wahrheit vor eure Augen und Ohren, reduziere Gott nicht auf die Vergebung der Sünden. Durch mich könnt ihr wissen, wenn ihr mir glaubt, was vor Gott wichtig ist, wie der Weg zu ihm ist. Gott erhöht mich, der in allem seinen Willen tut, und ich ziehe euch in seine Höhe, wenn ihr an mich glaubt und mir nachfolgt. Es spielt sich alles im Unsichtbaren ab, deshalb nehmt mich zum Zeugnis, glaubt, dass, was ich sage, IST, wie ich es sage.
Das Heilige ist aber in der Höhe, deshalb muss alles, was heilig ist und sein will, erhöht werden: Und du, Menschenkind, zeige dem Haus Israel den Tempel an, dass sie sich schämen ihrer Missetaten, und lass sie ein reinliches Muster davon nehmen. Und wenn sie sich nun alles ihre Tuns schämen, so zeige ihnen die Gestalt und all seine Gesetze; und schreibe es ihnen vor, dass sie alle seine Weise und alle seine Sitten halten und danach handeln. Das soll aber das Gesetz des Hauses sein: Auf der Höhe des Berges, soweit ihr Umfang ist, soll das Allerheiligste sein (Hes 43, 10-12).
Der Auferstandene sagt zu Maria von Magdala: Umfasse mich nicht, denn ich bin noch nicht zu meinem Vater aufgefahren. Gehe aber hin zu meinen Brüdern und sage ihnen: Ich fahre auf zu meinem Vater und zu eurem Vater, zu meinem Gott und zu eurem Gott (Joh 20, 17). Jesus ist noch nicht zu seinem Vater zurückgegangen, er ist im Zwischenstadium zwischen Fleisch und Geist, noch nicht erhöht. Maria kann ihn erst wieder umfassen, wenn er die Transformation abgeschlossen hat, ganz im Geist wiedergeboren ist. Dann kann sie ihn grenzenlos umarmen und der Geist sie. Und was Jesus hier auch sagt: Es ist mein Vater und euer Vater, mein Gott und euer Gott. Wie ich erhöht werde von meinem Vater, werdet auch ihr erhöht werden von meinem Vater. Ich ziehe euch zu mir, indem ich das Zeichen und das Zeugnis dafür bin. Ich gehe euch auch darin voran.
Himmelfahrt meint, lieber Luther, Erhöhung, heißt Aufnahme in den Himmel, heißt Wiedergeburt im Geist, heißt das Reich Gottes SEHEN. Erhöhung durch Jesus heißt, Gott positiv durch sein Wort festhalten, nicht negativ in der Sündenvergebung. Jesus erhöhen heißt sein Wort auf den Stecken stecken, nicht die sündige Schlange. Wenn ihr mir nachfolgt, überwindet ihr die Schlange und folgt mir in die Erhöhung. Das ist die Verheißung. Wer hinaufsteigt in die Erhöhung, ist auch herabgestiegen in die Niederungen. Wer als Menschenkind erhöht werden will, muss aus Gottes Geist und Wille geboren sein, und, wenn das Fleisch abgelegt wird, wieder in Gottes Geist neu geboren werden.
Lieber Luther, so hoffen und beten wir, dass auch wir einmal unseren ganz persönlichen Himmelfahrtstag haben, dass unser Himmelfahrtswagen von Jesus gezogen wird, dass auch wir in der Höhe ankommen. Egal ob wir uns das als Bollerwagen, Feuerwagen, Wolke oder sonstwie vorstellen: Es sind Bilder für das ansonsten Unbeschreibbare.
Herzliche Grüße
Deborrah

Sonntag, 10. Mai 2015

Vaterunser (10) - Gottes Demokratie

Lieber Luther,
ein benediktinischer Pater hat einmal vor ein paar Jahren ganz abfällig zu mir gesagt: Das ist nichts, das ist Gefasel, das ist Larifari, ganz als sei es der letzte Dreck. Die Rede war von einem Kernbestandteil des Vaterunsers:
Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit, in Ewigkeit, Amen.
Dieser abfällige Ton hat mich getroffen, so, dass ich es bis heute nicht vergessen habe. Ich habe aber nicht gegengehalten, es einfach so stehen lassen. So will ich heute nachholen, was ich damals versäumt habe.
Das Vaterunser beginnt mit der Bitte: Dein Reich komme, dein Himmelreich komme. Es endet mit: Denn dein ist das Reich, der Anerkenntnis, dass das Reich, um das wir eingangs bitten, auch Gottes Reich ist. Bitternötig. Unser Alltag wird vom Reich des Verführers regiert. Gottes Reich, wer mag dafür Werbung machen? Anscheinend noch nicht einmal jeder Benediktiner. Scheint ein bisschen altmodisch, vom "Reich" zu sprechen. Klingt ein bisschen anstößig, erinnert irgendwie an das Tausendjährige Reich, klingt nach Herrschaft, nach Unterordnung, nach Bedrückung. Der moderne Mensch ist mehr für Demokratie, für Mitsprache, für Mitentscheidung, dafür, dass wir abwählen können, was uns nicht passt. Jedenfalls in der Theorie. Gottes Reich wird gern als Despotie empfunden oder abgelehnt. Unter dieses Joch wollen wir uns nicht begeben. Soweit der neuzeitlich aufgeklärte Mensch. Doch sieht er bei aller Aufklärung auch klar? Gottes Reich ist ein Reich, das er wählen kann oder auch nicht. Gott, lässt uns die Wahl, er stellt sich zur Wahl.
Rückblende. Sein Volk hat Gott als ein brüderliches Volk geschaffen. Die Menschenhändel können Menschen mit weisen Richtern schlichten, das ist Menschensache, nicht Gottessache. Diesen göttlichen Gesellschaftsentwurf der Mitmenschlichkeit unter Brüdern hat der Mensch nicht angenommen. Er wollte einen König über sich gesetzt wissen, freiwillig schuf er ein Oben und Unten. Saul wurde zum ersten irdischen König in Gottes Volk, auch zum ersten König in Gottes Volk, der scheiterte. David rückte an seine Position, nach vielen Machtkämpfen. Mit der neu geschaffenen Position des Königs hielt der irdene Machtkampf Einzug in Gottes Volk, der Kampf um die Krone.
Das sind die Kategorien, in denen Mensch denkt. Macht, Herrschaft, deren Durchsetzung mit Waffengewalt, inklusive Definitionshoheit dessen, was zu Recht und Gesetz deklariert wird und von denen, die unter dieser Herrschaft stehen, unter Androhung von Strafe, anerkannt werden muss. So funktioniert menschliche Macht und Herrschaft in den verschiedenen menschlich geschaffenen Reichen. So hat Mensch dies von Gott herbeigebettelt und selbst ins Werk gesetzt. Gott, denkt Mensch, muss auch so funktionieren.
Kronen, die vom Kopf fallen können: Wer hätte gedacht, dass das prächtige Tyrus je fallen könnte (Jes 23, 8). Sage dem König und der Königin: Setzt euch herunter, den die Krone der Herrlichkeit ist euch von eurem Haupt gefallen (Jer 13, 18).
Die Krone der Herrlichkeit. Sie kann sichtbar sein oder auch nicht. Auch unsichtbare Kronen können vom Kopf fallen: Er hat meine Ehre mir ausgezogen und die Krone von meinem Haupt genommen (Hiob 19, 9). Hiob kennt das Davor und das Danach, welchen Unterschied es macht, sie auf dem Kopf zu haben oder nicht. Nur Demut führt zur Krone der Herrlichkeit.
David, der Geliebte, der Gottesknecht, begreift das (1.Chr 29, 11-16):
Gelobt seist du, HERR, Gott Israels, unseres Vaters, ewiglich. Dir, HERR, gebührt die Majestät und Gewalt, Herrlichkeit, Sieg und Dank. Denn alles, was im Himmel und auf Erden ist, das ist dein. Dein, HERR, ist das Reich, und du bist erhöht über alles zum Obersten. Reichtum und Ehre ist vor dir; Du herrscht über alles; in deiner Hand steht Kraft und Macht; in deiner Hand steht es, jedermann groß und stark zu machen. Nun, unser Gott, wir danken dir und rühmen den Namen deiner Herrlichkeit. Was bin ich? Was ist mein Volk? Was vermögen wir aus uns selbst heraus?
Jesus war in diesem Gottverständnis gegründet. Deshalb bildet es den Rahmen des Vaterunsers: Denn dein ist das Reich, die Kraft, die Herrlichkeit, in Ewigkeit. Ich, mein Vermögen, ist gering vor dir, Gott. Verglichen mit deiner Herrlichkeit bin ich nur ein Bettler. David, der Hirte, der zum König wurde, wurde nur zum auch von Gott gesalbten König, weil er Gott gegenüber demütig war, sich nicht von seinem weltlichen Reichtum und seiner weltlichen Macht korrumpieren ließ – bis auf einmal, als er seine Macht ausspielte, aus irdischem Begehren einen Mord beging, und dies dann auch bitter bezahlen musste. Jesus wurde zum alle überragenden von Gott gesalbten König, weil er sich nie von der Welt korrumpieren ließ, was immer sie ihm antun wollten, andichten wollen. So spricht der Herr HERR: Tue weg den Hut und hebe ab die Krone! Denn es wird weder Hut noch die Krone bleiben; sondern der sich erhöht hat, der soll erniedrigt werden, und der sich erniedrigt hat, soll erhöht werden (Hes 21, 31).
Gottes Reich ist ein Wortreich. Es besteht nicht aus Macht und Herrschaft wie menschliche Reiche. Und wenn wir Gottes Reich so denken, ist das die Projektion der Funktionsweise menschlicher Reiche auf Gott, auf das Himmelreich. Wenn wir Gott als einen Despoten denken, der seinen Willen mit aller physischen Gewalt und seiner Allmacht durchsetzen will, projizieren wir menschliche Herrschaftsformen in all ihrer Menschenverachtung auf Gott. Wir denken uns Gott bösartig, herrschsüchtig, selbstsüchtig. Wir haben nicht kapiert, dass – wie in vielen Vaterunser-Folgen dargelegt – das Göttliche nur im Menschen zum Durchbruch kommen kann. Gott lässt den menschlichen Willen gewähren, wie lange es auch dauern mag, den menschlichen Willen mit dem göttlichen in Einklang zu bringen, seine Schöpfung heim zu führen in sein gelobtes Land, in das Paradies, in sein Himmelreich.
Gottes Reich funktioniert nicht nach Gewalt und Herrschaft, es beruht auf Freiwilligkeit, freiwilliger Umkehr, freiwilliger Reue, auf Gewaltverzicht und Brüderlichkeit. Es ist das Gegenteil von Despotie, es beruht auf Langmütigkeit und ewiger Bereitschaft zur Verzeihung, auf Friede zwischen Mensch und Gott. Das ist der göttliche Entwurf seines Reiches, seines Friedensreiches. Seine Macht ist die Macht, warten zu können, bis der letzte, der umkehren will, zu ihm in innerem und äußerem Frieden umgekehrt ist. Er wartet, auf den der umkehren will. Wer nicht umkehren will, den lässt er, lässt ihm seinen Willen und lässt ihn dann, seiner Wahl folgend, auch im Tod sterben. Er lässt ihn in die Grube fallen, wie es sein expliziter Wille ist. Leben nach dem Tod ohne Gottes Atemhauch und ohne menschlichen Willen gibt es nicht.
Gott schuf die Menschen als göttliche Menschen, er gab ihnen seinen Atemhauch, so dass sie ihn als Gott in seiner Kraft und Herrlichkeit erkennen können. Er gab den Menschen einen eigenen Willen, den er sie leben lässt, auch wenn sie sich anstatt für das Leben, freiwillig für das Sterben entscheiden. Zwischen der Masse der Unverständigen findet er genug Verständige, durch die er sprechen kann und durch die er Menschen, die das wollen, zu ihm sammeln kann.
Jakob Israel steht für sein Volk an sich, dafür, dass es Erben gibt, Mose für deren Aufbruch und den langen Weg der Gott untreu seienden Erben zurück in das verheißene Land, ins Paradies, ins Himmelreich. David steht für dieses Reich. An ihm ist gezeigt, wie der Weg über die Weide zur Krone zu gewinnen ist. Jesus steht für Gottes Wort, unkorrumpierte Nachfolge und Demut, reine Sohnschaft, Jesus ist DER Gottessohn, DAS Gotteskind, derjenige, in dem sich Gott unverfälscht spiegelt, in dem er in Klarheit und Wahrheit spricht und handelt. Deshalb spricht Jesus von sich auch immer als "Menschensohn". Wie Jesus sieht ein Gotteskind als Mensch aus, Gott als reines wahres Ebenbild im Menschen. Uns zum Vorbild und zur Nachfolge, um auch uns zur reinen freiwilligen absoluten Kindschaft zu bringen, bis hin und durch die letzte Klärung hindurch, ob wir dem Willen Gottes folgen wollen oder nicht. Auch die letzte Klärung beruht auf dem freien Willen, auf der freien Entscheidung, ob man sich für Gott und das Leben, oder gegen Gott und den Tod entscheiden will. Es ist in den Willen des Menschen gelegt, Gott nachzufolgen. Gottes Wille zur Verzeihung und seine Freude über jeden Umkehrer ist bis zuletzt sicher. An was es mangelt, ist der menschliche Wille, am beidseitigem gleichgerichteten Willen.
Deshalb ist auch die Vorstellung, lieber Luther, Gott sitze auf einem Thron, völlig abwegig. In der Offenbarung und auch im Alten Testament ist immer nur vom "Stuhl" die Rede. Die Krone tragen andere: Und um den Stuhl waren vierundzwanzig Stühle, und auf den Stühlen saßen vierundzwanzig Älteste, mit weißen Kleidern angetan, und hatten auf ihren Häuptern goldene Kronen (Offenb 4, 4). Es sind Kronen der Herrlichkeit Gottes, derjenigen, die sie gewonnen haben. Der Gott folgende Mensch ist die Krone Gottes. Die Krone gewinnen heißt, eins mit dem göttlichen Willen zu werden, ganz in Gott aufzugehen: Und du wirst sein eine schöne Krone in der Hand des HERRN und ein königlicher Hut in der Hand deines Gottes (Jes 62, 3). Du wirst zur Zier für Gott: Schaut her, mit diesem Menschen kann ich mich schmücken, er ist eine Zier in meinem Himmelreich. Die Krone gewinnen heißt, Anteil am Reich Gottes zu haben.
Wir beten, lieber Luther, dein Reich komme, dein Wille geschehe, denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit, damit Gottes Wille zu unserem Willen werde, damit Gottes Reich auf Erden werden kann, damit wir Anteil an Gottes Reich und Herrlichkeit in Ewigkeit gewinnen. Allein darum geht es Gott, und damit Jesus, und damit sollte es auch uns alleine darum gehen. Das Vaterunser ist die Bitte, trägt die Hoffnung, auch wir mögen in diese göttliche Reinheit und Wahrheit eines Morgens finden, und sei es in der Ewigkeit. Amen.
Herzliche Grüße
Deborrah

Sonntag, 3. Mai 2015

Vaterunser (9) - Erste Liebe

Lieber Luther,
niemals kann ein Mensch seinen Bruder von seinen Sünden, seiner Bösartig- und Schlechtigkeit lösen, denn zu kostbar ist seine Seele. Es bedarf des Atemhauches Gottes. So viel kann ein Mensch nicht in die Waagschale werfen, damit es den Atemhauch Gottes aufwiegen würde. Gott allein ist es, der den Menschen von der Gewalt des Scheols, von der menschlichen Hand in ihrer Abgründigkeit, vom Menschen, der ohne Atemhauch Gottes handelt, entreißen kann. Gott allein kann lösen, kann erlösen (Ps. 49, 9-16). In Psalm 49 steht, um was es geht, wenn wir imVaterunser beten:
Und erlöse uns von dem Bösen, von allem Übel.
Wie weltlich reich ein Mensch auch ist, wie angesehen, wie intelligent, wie weise, wie sehr er auch meint, er selbst sei mit vielem gesegnet: Es nützt ihm nichts. Er fährt ins Grab und hat nichts in seinem Fruchtkorb, was ihn vom Tod bewahren könnte. Armer reicher Mensch.
Gott alleine löst und erlöst, kein Mensch, auch kein Menschensohn, kann dies erwirken. Nur der Vater allein. Die Kindschaft, die Sohnschaft, an sich macht Gottes Erben aus. Jesus spricht von sich meistens in der dritten Person, vom Menschensohn oder dem Sohn des Menschen, von dem, den Gott als sein Ebenbild erschaffen hat. Wir sind alle adama, fruchtbarer Ackerboden, aus der Muttererde Gottes. Um jeden einzelnen geht es Gott, um dich und mich.
Jeder bekommt oder IST zu gleichen Teilen. Was er daraus macht, liegt bei jedem selbst. Jesus erzählt im Gleichnis vom verlorenen Sohn davon. Der Sohn, der auf dem falschen Weg war, erkennt in tiefer Not, was er Gutes beim Vater hatte, kehrt um, bereut ehrlich: Vater ich habe gesündigt vor dir und gegen den Himmel, ich bin es nicht wert, dein Sohn zu heißen. Mach mich wenigstens zu einem, dem du nur das gibst, was er jeden Tag verdient. Wie reagiert der Vater: Lasst uns fröhlich sein und ein Fest feiern, denn dieser mein Sohn war tot und ist wieder lebendig geworden; er war verloren und ist gefunden worden (Lk 15, 11-31). Die Sohnschaft hat auch dieser verlorene Sohn nicht verwirkt. Die Arme des Vaters sind weit geöffnet, er wartet jeden Tag auf die Rückkehrer.
Und erlöse uns von dem Übel, heißt, HERR, lass mich umkehren, lass mich abkehren vom falschen Weg. Es heißt, ich bin bereit, mich von meinen Übeltaten und dem Bösen zu lösen, einzusehen, zu bereuen, umzukehren. Ich will aktiv, gewollt, willentlich zum richtigen Weg, zum Vater, zu Gott, zurückkehren, auch, wenn ich bei ihm nur zu den Geringsten zähle.
Der Mensch ist das Kind Gottes, der Mensch, in dem Gottes Atemhauch ist, der Gott in sich atmen lässt, ist sein Erstling. Gott sagt Ja zum Menschen, er will seinen Erstling zurück haben. Er will ihn nicht an Abgötter verloren geben. Er schlägt die ägyptischen Erstlinge, streicht seinBlut, sein Leben, an die Hauspfosten, in denen seine Erstlinge sind, zum Zeichen: Hier ist nicht der Tod, hier, wo ich bin, ist Leben (2.Mose 12, 29). Hier sind die wahren Erstlinge, die das wahre Reich erben.
Gott belehrt Kain: Wenn du recht tust, erhebt sich das Rechte zu mir, wenn du aber nicht recht tust, lagert sich die Sünde vor der Tür und hat Verlangen nach dir. Du sollst aber über sie herrschen (1.Mose 4, 7), d.h., du sollst das Böse, die Versuchung beherrschen. Das gelingt dem Menschen nur partiell. Gott kennt die Fehlbarkeit des menschlichen Willens von Anbeginn. Selbst nach dem Brudermord gibt Gott Kain nicht auf, er will ihn nicht als Blutopfer enden sehen. Gott will keine Menschenopfer – kein Sühneopfer – weder Kain, noch Isaak, noch Jesus. Weder den Schuldigen, noch den Unschuldigen, noch jeglichen Sohn der Menschen, für den Jesus steht (= Menschenkind). Gott will seinen Erstling ganz zurück.
Alle Erstgeburt unter meinen Kindern ist mein, seit der Zeit, seit ich die Erstgeburt in Ägypten schlug und sie mir heiligte (4.Mose 8, 17). Unter diesem Blickwinkel ist auch zu verstehen, wieso Esau zum Verhängnis wurde, dass er sein Erstgeburtsrecht für einen vollen Magen an seinen Bruder Jakob verkaufte. Jakob ist uns zum Bild gegeben. Strebt wie Jakob danach, bei Gott Erstling zu werden. Das innere Streben zählt, die menschlichen Verfehlungen zwischen den Menschen sind hierbei zweitrangig. Gott hat Jakob trotz alledem zu seinem Erstling gemacht, ihm den Namen Israel gegeben, ihn zum Erstling für sein auserwähltes Volk gemacht. Der Erstling ist der Haupterbe, er empfängt den väterlichen Segen, ihm gebührt der Ehrenplatz am Tisch.
Mit der menschlichen Erstgeburt hat Gottes Erstling nichts gemein. Ruben, der formal Erstgeborene Jakobs, hat sein Erbe verspielt, indem er "seines Vaters Bett entweihte". Es ist gemeint, er hat sich genommen, was nicht sein war, er hat das, was Gott gehörte, von Gott weg und zu sich hingezogen, hat verführt, war Satan. Jakobs "Fürstentum" ging an Juda, das Erstgeburtsrecht an den Sohn Joseph (1.Chr 5, 1), sie sind vor den formal Erstgeborenen gesetzt worden. Gott schert sich nicht um menschliche Hierarchien. Er setzt seine Wahrheit über menschliches Recht. 
Und erlöse uns von dem Übel. Gemeint ist erstrangig das Übel, Gottes Erbschaft achtlos zu verspielen, die Ehre, Gott in uns zu haben, nach Gottes Ebenbild geschaffen zu sein, mit Füßen zu treten. Menschliche Bösartigkeiten untereinander sind im Verhältnis dazu belanglos. Deshalb sagt Jesus auch: Ihr könnt über alles fluchen, einschließlich mich, nur nicht über den Wind, der weht, über den Atemhauch meines Vaters. Wer dies tut, ist schuldig des ewigen Gerichts (Mk 3, 29). Das ist das Böseste vom Bösen.
Und ich sah das Lamm stehen auf dem Berg Zion und mit ihm 144.000, die hatten seinen Namen und den Namen des Vaters auf die Stirn geschrieben. Sie sangen ein neues Lied, das nur die 144.000 lernen konnten. Sie waren "erkauft" von der Erde. Sie folgen dem Lamm nach, wohin es geht. Sie sind erkauft aus den Menschen zu Erstlingen Gott und dem Lamm, denn in ihrem Mund wurde kein Falsch gefunden (Offb 14, 1-5).
Das heißt, lieber Luther, Gott muss sich seine Erstlinge von der Erde zurückkaufen. Er muss wettbewerben auf dem Marktplatz der irdischen Angebote. Er steht zwischen den Verkaufsständen mit den verschiedenen menschlichen Heils- und Unheils-Sonder-Angeboten und versucht, ein offenes Ohr für sein Wort zu finden. Und erlöse uns von dem Übel, heißt also auch, löse unsere Schwerhörigkeit. Jesus hat nicht umsonst so viele Taube geheilt. Ihr seid die Tauben, öffnet eure Ohren, hört Gottes Angebot. Die Heilungen war nur ein Zeichen, damit ihr überhaupt hinhört. Ich habe wider dich, dass du die erste Liebe verlässt (Offb 2,4). Erlöse uns von dem Bösen heißt, HERR, lass den Erstling deiner Liebe zurückkehren zu dir, seiner ersten Liebe.
Herzliche Grüße
Deborrah