Lieber Luther

Lieber Luther

Samstag, 14. März 2015

Stärke

Lieber Luther,
Lätare, freue dich, dieser Ausruf passt perfekt zum Predigttext dieses Fastensonntages (Joh 12, 20-33). Wie das? Ist da nicht von einem Weizenkorn die Rede, das sterben muss? Und ist dieses Bild nicht auf Jesus gemünzt, auf seinen grausamen Tod? Von Verherrlichung ist außerdem die Rede. Was heißt das alles und wieso ist das ein Grund zur Freude? Aber der Reihe nach.
Griechen, das heißt Ungläubige, wollen zu Jesus, wissen aber nicht recht, wie sie das anstellen sollen. So fragen sie erst einen Jünger, der berichtet ihr Anliegen dem nächsten Jünger und schließlich bringen sie es gemeinsam vor Jesus. Jesus hat sie bisher zu den Seinen, zum jüdischen Volk, geschickt, um zu predigen. Nun kommen da Ungläubige daher und wollen auch Jesu Wort hören. Deshalb bedarf es anscheinend beider Mut, dieses Anliegen vor Jesus zu bringen. Jesus konnte, wenn es um Gott ging, um Wahrhaftigkeit und Gottes Wahrheit, grob sein. Deshalb bedurfte es etwas Mut, für die Ungläubigen bei Jesus zu bitten. Wie reagiert Jesus?
Oberflächlich sieht es so aus, als ob Jesus diejenigen, die ihn suchen, einfach links liegen lässt und sich mit sich selbst beschäftigt: Die Stunde ist gekommen, dass der Menschen Sohn verherrlicht werden soll, sagt er. Jetzt ist sie da, meine Stunde. Die Stunde, in der offenbar wird, wie Gott in mir wirkt, die Stunde, in der ich in mir klar werde, was Gott von mir will. Nicht am Kreuz, jetzt geschieht dies, in der Predigt, beim Predigen. Jetzt ist die Zeit des Gerichts und gleichzeitig die Zeit der Ernte. In Kanaan, am Anfang seiner Predigttätigkeit, war Jeus Zeit noch nicht reif, jetzt ist sie es. Zeit der Ernte, Zeit des Gerichts, Zeit der Entscheidung. Was er zu sagen hat, hat für ihn höchste Bedeutung, höchste Wahrheit und höchste Wichtigkeit, schon an den Eingangsworten erkennbar:
Amen, Amen, wahrlich wahrlich, ich sage euch: Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein; wenn es aber stirbt bringt es viel Frucht.
So einfach ist es. Die Natur macht es vor. Zunächst kommt der Fall. Auch Jesus ist sterblich, er ist ein Menschen Sohn. Jetzt, da meine Stunde gekommen ist, ist meine Seele betrübt, sagt er. Er sieht, was sich um ihn herum zusammenbraut, nicht nur er wird verfolgt und bedroht wegen seines Glaubens, es sind auch andere. Auch andere haben sie schon ans Kreuz genagelt, der öffentlichen Ordnung, der religiösen Schein-Ordnung wegen. Die Versuchung, dem zu entkommen, sich einfach davonzuschleichen, Verkündigung Verkündigung sein zu lassen, Wort Wort, nur seine Haut zu retten. Um diesen Zwiespalt geht es. Jesus will verdeutlichen, wie man sich in solch einer Versuchung legen soll. Jetzt geht das Gericht über die Welt, jetzt entscheidet sich, wie ich mich entscheide. Am Weizenkorn sei es gezeigt.
Das Weizenkorn stirbt nämlich nicht, das Weizenkorn sprengt seine Hülle. Was mit "sterben" übersetzt ist, heißt ursprünglich: von … weg sterben. Das Weizenkorn entledigt sich seiner Hülle, Jesus klebt nicht an seiner Hülle. Das Weizenkorn wandelt sich. Jesus sagt an anderer Stelle, er muss wandeln, es reicht nicht, heroisch den Märtyrertod zu sterben (Lk 13, 31-33), seine Hülle sterben zu lassen. Es ist der fruchtbare Wandel, den Jesus hier predigt.
Das Weizenkorn stirbt nicht, nur seine Hülle stirbt weg. Das Weizenkorn hat Stärke in sich. Die Stärke ist der Nährboden. Sie lässt den Keimling entstehen, Wurzeln treiben, bis er sich selbst ernähren kann. Tief verwurzelt, kann der Keim aus dem Dunkeln wachsen. Der Nährboden, das Salz der Erde, verleiht ihm die Kraft, die Oberfläche zu durchdringen, zu grünen, Sturm und Wind zu widerstehen, Ähren und neue Frucht zu treiben, sich zu vermehren, es dem Mutterkorn gleichzutun. Sprenge deine Hülle und bringe Frucht in Fülle! Das ist die Botschaft, die Jesus hier so wichtig ist. Amen, lass dich von dem, was dich begrenzt oder bedroht, nicht aufhalten!
Es ist die äußerliche Anfechtung, um die es geht, der auch Jesus ausgesetzt ist. Die Zeit für Jesus ist gekommen, seine Zeit, die Zeit der Anfechtung und der Entscheidung. Es entscheidet sich, ob man lieber an der Hülle festhält oder zur Kraft durchdringt, sich auf den inneren Kern verlässt, auf seine Fruchtbarkeit, auf seine Kraft.
Wer sein Leben lieb hat, der wird es verlieren; und wer sein Leben auf dieser Welt nicht lieb hat, der wird es erhalten zum ewigen Leben. Sei ein fruchtbares Weizenkorn, sagt Jesus. Hänge nicht an der Hülle, verlass die nicht auf die Oberflächlichkeit, baue auf die innere Stärke, treibe Wurzeln in Gottes Nährboden, im Wort, dann wirst auch du zu einem Keimling, der wächst und Frucht in Fülle bringt.
Jesus fragt: Was soll ich sagen? Mein Nährboden ist Gott, ich bin seine Frucht, aus seinem Vaterkorn geworden. Was kann ich deshalb nur sagen? Vater, hilf mir in dieser Stunde! Hilf mir in dieser Stunde der Anfechtung, in der es widerstreitet in mir, an der Hülle zu kleben oder auf deine Stärke in mir zu bauen. Vater, mach offenbar, dass meine Stärke du bist, dass ich nicht wanke. Vater, offenbare, verherrliche, vergegenwärtige deinen Namen, mach es so offenbar, dass es jeder, der dich sucht, in mir sieht. Offenbare deinen Namen in mir und in dem, was ich predige und tue. Lass mich nicht wanken, mache mich zu einem Abbild von dir, das in mir offenbar geschehe und im Wort festgehalten und verkündet ist, dem alle nachfolgen können, die es wollen, die sich für dich entscheiden.
Jesus ist fest. Jesus betet in der Anfechtung. Er wird nur oberflächlich fallen, so wie es die Natur eines Menschenkindes vorgibt. Er baut auf Gottes Stärke in sich: Wer mir dienen will, der folge mir nach; und wo ich bin, da soll mein Diener auch sein. Und wer mir dienen wird, den wird mein Vater ehren. Jesus, das fruchtbare Weizenkorn, das Frucht bringt in Gottes Scheuer, derjenige, der es wagt, von der Hülle zu lassen und auf Gottes Stärke zu bauen. Jesus, das fruchtbare Weizenkorn, das sagt: Folgt mir nach, tut, was ich getan habe, predigt das Wort, tut das Wort, verfallt nicht in die Versuchung, an der Oberflächlichkeit festzuhalten, sonst erfahrt ihr nie die Fruchtbarkeit eurer inneren Stärke, dann treibt ihr keine Wurzeln, keine Ähren, keine Frucht, sonst erfahrt ihr nie die fruchtbare Fülle Gottes.
Was soll ich sagen? fragt er. Nur dieses: Vater, hilf mir aus dieser Stunde der Versuchung. Verkläre deinen Namen, mache dich offenbar, dass sie glauben, dass du der allmächtige Gott bist. Es ist nicht mehr viel Zeit, deshalb mach deinen Namen offenbar.
Und Gott macht seinen Namen offenbar. Es donnert. Eine Stimme kommt vom Himmel, in aller Klarheit und Deutlichkeit. Für alle vernehmbar: Ich habe verherrlicht und werde auch wieder verherrlichen. Gemeint ist sein Name, nicht Jesus. Um den Sohn der Menschen Jesus geht es nicht. Und damit das auch klar ist, setzt Jesus gleich hinterher: Diese Stimme ist nicht um meinetwillen geschehen, sondern um euretwillen. Für Jesus wäre sie nicht notwendig gewesen. Jesus ist Stärke. Jesus ist Glaubensstärke. Jesus ist als leibliche Person nicht wichtig, wohl aber als Gottes Wortträger. Jesus ist Ebenbild Gottes. In Jesus offenbart sich für uns sichtbar Gott. Er hat für uns zum Vorbild der Versuchung widerstanden. Er hat sich ohne zu wanken für die Stärke im Weizenkorn entschieden, nicht für die Hülle. Der Fürst der Welt hat nicht über ihn gesiegt, sondern der innere Fürst ist sein alleiniger König.
Lieber Luther, die Stimme aus dem Himmel ist um unseretwillen geschehen. Weil wir nicht so stark sind wie Jesus, nicht auf unsere innere Stärke setzen, wie Jesus. Die Stimme ist geschehen, dass wir an Jesus nicht nur Gottes Allmacht sehen, sondern sie auch hören, dass alle Sinne die Chance haben, die Botschaft wahrzunehmen, die Chance, zum ewigen Leben durchzubrechen, der Versuchung zu wehren, an der Äußerlichkeit festzuhalten.
Vater, hilf mir aus dieser Stunde! Vater, hilf mir aus der Versuchung. Um das zu sagen, um zu zeigen, dass dies der Satz ist, um den es geht, darum bin ich in die Welt gekommen, sagt Jesus. Darum bin ich in die Welt gekommen! Um zu zeigen, dass Gott unsere Stärke ist, es zu predigen, ein Beispiel zu geben, dem ihr nachfolgen könnt.
Das lieber, Luther, ist die Antwort für die Jesus suchenden Griechen, die Ungläubigen, die Gottesfürchtigen, diejenigen, die Jesus suchen, um ihm nachzufolgen. Seid ein fruchtbares Weizenkorn, baut auf Gottes Stärke in euch. Euch das zu sagen, euch das vorzuleben, euch zur Nachfolge aufzufordern, dafür hat Gott mich gesandt. Baut auf Gottes Stärke in euch, seid fruchtbar, tragt Gottes Wort weiter, vermehrt es. Bringt es vor die Ohren aller Menschen. Sprengt die Predigt- und Glaubensgrenzen, die ihr bisher hattet, denn: Wenn ich erhöht werde von der Erde, so will ich sie alle zu mir ziehen. Wenn meine Saat aus dem Dunkel der Erde aufgeht, dann werde ich alle zu mir ziehen. Mein Wort, meine Stärke, wird ihre Stärke sein, ich werde sie anziehen, nachziehen.
Der Zusatz des Evangelium Schreibers: (Das sagte er aber, zu deuten, welches Todes er sterben würde), ist insofern richtig, als er sagte: Ich sterbe keines Todes, ich bin ein fruchtbares Weizenkorn, das durch seine innere Stärke Frucht in Fülle trägt. Deshalb: Sprenge deine Hülle und bringe Frucht in Fülle! Folge mir nach. Breche durch zum ewigen Leben. Lätare! Freue dich an Gottes Stärke in dir! Amen, Amen, wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es fruchtlos. Lieber Luther, lass uns wandeln, lass uns Jesus nachfolgen, lass uns auf Gottes Stärke in uns bauen, auf dass wir Frucht bringen. Amen, ja Amen.
Herzliche Grüße
Deborrah

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