Lieber Luther,
Auf den ersten Blick sieht es im Predigttext zum Sonntag Okuli (Lk 9, 57-62) so aus, als ob Jesus ein bisschen aufstöhne und sage, jeder Fuchs hat einen Bau, in dem er schläft, jeder Vogel ein Nest, in dem der die Nacht verbringt, aber ich, der arme Wanderprediger, weiß nicht, wo ich heute Nacht schlafen kann. "Modernisierte" Bibelübersetzungen führen auf die falsche Spur. Da heißt es: Der Menschensohn hat nichts, wo er sein Haupt hinlege. So steht es im Gesangbuch. Ein kleines s, das einen großen Unterschied macht, materialisiert und die Bibelmodernisierer nicht gerade als Bibelversteher dastehen lässt. Für sie hat Jesus eigentlich das gepredigt, um was es im heutigen Predigttext geht.
In der Lutherübersetzung von 1912 heißt es: Aber des Menschen Sohn hat nicht, da er sein Haupt hin lege. Er hat keinen irdischen Ort, will Jesus sagen, aber sicher hat er kein "nichts". Er hat sehr wohl etwas. In der Elberfelder Übersetzung ist nahezu wie in der Lutherübersetzung übersetzt. Aber, anstatt zu materialisieren, wird verortet. Anstatt dem "da" steht ein "wo", und anstatt "hin legt", steht "hinlegt", was auch wiederum in die falsche Richtung geht, eben "wo er sich hinlegt", was Jesus gerade nicht tut und wogegen er anpredigt. Das macht einen gewaltigen Sinn-Unterschied, ist aber, zugegegebenermaßen, nicht leicht zu verstehen. Lieber Luther, wie fast immer, hast du dich als einziger richtig hin gelegt.
Der Schlüssel zum Predigttext für diesen Sonntag liegt in Psalm 110: Der HERR sprach zu meinem Herrn: "Setze dich zu meiner Rechten, bis ich deine Feinde zum Schemel deiner Füße lege…. Er wird trinken vom Bach auf dem Wege; darum wird er das Haupt emporheben."
Im Predigttext heißt es: Es begab sich aber, dass sie auf dem Wege waren, sprach einer zu ihm: Ich will dir folgen, wo du hin gehst. So fängt diese Geschichte an. Jesus ist auf dem Weg. Einen Vers vorher heißt es: Des Menschen Sohn ist nicht gekommen, der Menschen Seelen zu verderben, sondern sie zu erhalten. Das ist der Weg, auf dem Jesus ist und auf den er uns mitnehmen will.
Viele finden Jesus gut, viele wollen ihm nachfolgen, bei vielen ist das Zungenwort stark, der Wille aber schwach. Vor der Nachfolge kommen noch viele andere weltliche und menschliche Dinge. "Ich will dir nachfolgen, wo du hingehst", sagen viele zu Jesus, behaupten auch viele von sich heute. In vielen Geschichten, z.B. der vom frommen Reichen, der von seinem Reichtum nicht lassen will (Mk 10, 20-24), sagt Jesus: Bedenke was du sagst, der Weg, auf den ich führe, ist nicht einfach, ich verlange viel, nämlich dass du es machst wie ich, nur Gottes Wort zu folgen, von allem anderen zu lassen: von der Familie, von Macht und Ehre, von Reichtum, von der Vorsorge, von der Bequemlichkeit.
Ich will dir folgen, wo du hingehst. Wirklich? fragt Jesus. Er prüft auf Herz und Nieren. Er sagt: Die Füchse haben Gruben, die folgen mir nicht nach. Simson fängt Füchse (Ri 15, 4). Sie verderben den Weinberg (Hohelied 2, 15). Füchse können auch falsche Propheten sein (Ps 63,10). Herodes ist ein Fuchs. Er kann mich nicht abhalten. Ich treibe Teufel aus, mache gesund und am 3.Tag werde ich ein Ende haben. Ich muss wandeln, meine Mission ist, die Menschen dazu zu bringen, sich zu ändern, ich muss vorangehen, sie auf den Weg hin zum Reich Gottes bringen. Es reicht nicht, dass ein weiterer Prophet vor den Mauern Jerusalems umkommt. Ich muss das Wort predigen (Lk, 13, 31-33). Füchse fallen am Ende in Gruben, mein Vaterhaus ist woanders. Ich werde mich nicht wie die Füchse in die Grube legen, sondern mich auf seinen Schemel setzen, Haupt an Haupt mit ihm zu seiner Rechten.
Du willst mir nachfolgen? Wirklich? Vögel unter dem Himmel haben Nester, aber des Menschen Sohn nicht. Du willst mir nachfolgen und sitzt bequem in deinem Nest? Verkriechst dich dort, richtest es dir dort schön ein und denkst, das sei nun Nachfolge? In Wahrheit ist mein Erbe wiesprenklige Vögel, um die sich andere schräge Vögel scharen und sich gegenseitig bekräftigen, dass sie doch in Gottes Reich fliegen, wie immer sie sich auch gebaren (Jer 12, 9). Der Sämannsät auf den Weg und die Vögel kommen und fressen die Saat (Mt 13, 4). Jesus sät das Wort auf den Weg, die falschen Vögel kommen, fressen die Saat, und scheiden das Wort als Sch… wieder aus. Man muss nur den ein oder anderen veröffentlichten Predigttext für heute lesen und weiß sofort, von was Jesus hier spricht. Die Vögel, ob Nesthocker oder nicht, sie folgen mir nicht wirklich, sagt Jesus. Irgendetwas kommt bei ihnen immer dazwischen, Ausreden und Entschuldigungen finden sie genug, nur mein Wort, das finden sie nicht.
Die Bilder aus der Tierwelt, ob Fuchs oder Vogel, haben die potentiellen Nachfolger nicht verstanden, sonst würde einer nicht Jesus fragen: Lass mich vorher noch meinen Vater begraben, dann folge ich dir nach. Das ist nicht bedingungslose Nachfolge, das ist: Wenn ich meinen Vater begraben habe, dann folge ich dir. Jesus sagt: Lass die Toten ihre Toten begraben, entscheide dich für das Leben, auch wenn es hart klingen mag und hart ist. Ich muss erst noch etwas anderes erledigen, dann kommst du, dein Wort und der Weg zum Himmelreich, ist keine Nachfolge, damit verfällst du den vermeintlichen Verpflichtungen im Leben und setzt deine Verpflichtung zur Nachfolge hinten an. Lass dich nicht von falschen Verlockungen und vermeintlichen Verpflichtungen von meinem Weg abbringen. Das ist seine kompromißlose Botschaft.
Poetischer steht dies in Spr 27, 6-8: Die Schläge des Liebhabers meinen's recht gut; aber die Küsse des Hassers sind gar zu reichlich. Eine satte Seele zertritt wohl Honigseim; aber einer hungrigen Seele ist alles Bittere süß. Wie ein Vogel, der aus seinem Nest weicht, also ist, wer von seiner Stätte weicht. Die Schläge des Lieb-Habers Jesus meinen es gut, aber die verführerischen Verlockungen der Welt sind zu reichlich, um bedingungslos nachzufolgen. Sein Honigseim wird zertreten, weil seine Schläge als zu hart erscheinen, nicht tragbar, nicht vermittelbar. Du musst nachfolgen, zählt nicht, du musst im Irdischen, aber wohl. Zuerst kommt etwas anderes, ist nicht Nachfolge, so wie sie Jesus versteht.
Jesus sagt, dein Ort, dein Weg, dein Ziel ist nicht das Ruhekissen, was willst du bei den Toten, da kannst du nichts mehr bewirken, gehe hin und verkündige das Reich Gottes, da kannst du etwas voranbringen in Richtung Reich Gottes, da kannst du etwas bewegen, aber nicht bei den Toten, dabei ist es egal, ob die Toten noch atmen oder nicht. Sie unterscheiden sich nicht voneinander.
Ich will dir nachfolgen, aber zuerst muss ich noch … z.B. mich vom einen oder anderen verabschieden. Frau Lot ist auch nicht bedingungslos gegangen, deshalb hat sie es nicht geschafft. Ihr Herz hat zu sehr in den Rückspiegel geschaut. Wer seine Hand an den Pflug legt und sieht zurück, der ist nicht geschickt zum Reich Gottes. Was könnte Jesus auch anderes darauf antworten? Wer den Boden bereiten will für das Wort Gottes, wer die Verkrustungen aufreißen will, damit die Saat des Wortes aufgehen kann, muss alle Kraft dafür aufwenden, zentriert, konzentriert sein auf dieses Ziel, vorwärts, dem Himmelreich entgegen gehen, ohne sich abzuwenden, um nach irdischen Verlockungen und Verpflichtungen zu sehen, ohne andere Prioritäten zu setzen, ohne Angst vor den Bedrohungen des täglichen Lebens. Pflüget ein Neues (Jer 4, 3), das Neue liegt vor euch, nicht hinter euch. Pflüget ein Neues, weil es Zeit ist, den Herrn zu suchen (Hos 10, 12). Viele Male sagt das Jesus. Aber - die Nachfolger sind rar. Das hat Jesus erkannt und immer wieder thematisiert, um das Bewusstsein, den Blick zu schärfen, die Augen zu öffnen, zu werben, andere Prioritäten zu setzen.
Des Menschen Sohn hat nicht, da er sein Haupt hin lege. Die deutsche Übersetzung von "Haupt" hat nicht die Bedeutungsvielfalt des griechischen oder lateinischen Äquivalentes. "Haupt" bedeutet dort auch Eckstein oder Schlussstein. Das heißt übertragen: Jesus, der Eckstein, vermag nicht den Schlussstein zu setzen. Er findet noch nicht einmal einen Ort, an dem er den Eckstein setzen könnte. Zu viele: Gleich, zuerst muss ich noch ... Der Menschen Sohn findet keinen irdischen Ort, an dem er den Eckstein setzen kann... Diejenigen, die er gerne hätte, hat er nicht. Sie sind gerade anderweitig beschäftigt.
Damit wären wir wieder bei Psalm 110: Der HERR sprach zu meinem Herrn: Setze dich zu meiner Rechten, bis ich deine Feinde zum Schemel deiner Füße lege. Jesus ist der Eckstein, der von Gott bei Gott gesetzt ist. Der Eckstein und der Schlussstein. Christus ist des Menschen Haupt, Jesu Haupt ist Gott (so auch 1. Kor 11, 3). Sein Haupt, sein menschlich gesprochenes Wort, hat Gott mit Jesus auf den Weg geschickt, mit der einzigen Verpflegung "Wort", das ist der Bach aus dem er auf dem Weg trinkt, das ist das Wasser, das ihn nährt und darum, da dies so ist, lieber Luther, darum hat er das Haupt wieder zu sich emporgehoben. Und erst, wenn wir dorthin gefolgt sind, ist der Schlussstein gesetzt. Es gilt für Jesus, noch viele Nachfolger zu gewinnen, bis es soweit ist.
Lieber Luther, Okuli heißt der 3. Fastensonntag. Fasst Gott allein ins Auge, geht nur diesen Weg, fastet von allen falschen Verlockungen und Verpflichtungen. Das ist Jesu Botschaft. Legt eure Hand an den Pflug und seht nur nach vorn. Lippenbekenntnisse zur Nachfolge reichen nicht aus. Setzt eure Prioritäten richtig. Sagt nicht, erst muss ich dies und das tun, dann höre ich auf das Wort, dann folge ich nach. Macht aus dem Dann ein Jetzt! Und verfallt nicht in den Fehler der Bibelübersetzer: Es geht hier nicht um Materielles, um Menschliches, es geht um die Nachfolge im Wort. Es heißt nicht, der Menschensohn hat nichts, sondern er hat nicht, er hat sich den Verlockungen nicht hingegeben, er hat keine Bedingungen gestellt, er hat den Küssen des Verführers widerstanden, er hat uns ein Vorbild gegeben, er ist das sichtbare Zeichen, eines dem wir nacheifern können. Ein "Gleich, vorher muss ich noch ... " gab es bei ihm nicht, wenn es um Gott ging. Lieber Luther, machen wir das "Gleich, vorher muss ich noch.. " zu einem "Jetzt mache ich es". Macht die Augen auf!
Herzliche Grüße
Deborrah
Deborrah
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