Lieber Luther

Lieber Luther

Sonntag, 8. Februar 2015

Säen und Ernten

Lieber Luther,
Mariä Lichtmeß, der 2. Februar, ist vorbei und damit definitiv auch die Weihnachtszeit, 40 Tage nach Weihnachten. Früher hieß Maria Lichtmeß: Der Winterruhe ist vorbei, die Feldarbeit beginnt wieder, ausgefeiert, es muss wieder in die Hände gespuckt werden. Das Licht, die Sonne steigt, das Licht, das die Heiden erleuchten soll (Lk 2, 32). Jesu Licht im Jahreskreislauf: Es wird geboren, steigt, fällt, steigt in anderer Gestalt. Und das Ganze wieder von vorn an Weihnachten. Ein Kreislauf von Geburt – Leben – Fallen – Neues Leben, Jesu Lebenskreislauf, der Jahreskreislauf des Wortes, der Natur, des Menschen. Geboren werden – Leben - Sterben – Neues Leben. Die Natur der Natur Gottes. Das Wort wird geboren, gesät, fällt an den Weg, auf felsigen Boden, zwischen Dornengestrüpp oder auch auf gutes Land. Damit sind wir beim Predigttext dieser Woche (Lk 8, 5-15).
Säen, Wachsen, Ernten. Es ging ein Sämann aus, seinen Samen zu säen, in der Hoffnung, dass er auf guten, fruchtbaren Boden fällt, dass kein Körnchen verloren geht, sondern die Saat wächst und gedeiht, genährt von fruchtbarem Boden, frischem Wasser, tief verwurzelt und mit Raum zum Wachsen, beschienen von der Sonne bis zur Zeit der Ernte. Lieber Luther, die Natur macht vor, wie es geht. Deshalb griff Jesus sehr oft zu Gleichnissen aus der Natur. In der Natur erkennen wir Gottes Natur. Natur ist Leben, Gottes Wort zeigt den Weg zum Leben.
Das Gleichnis vom Sämann ist eines der wenigen, das in drei Evangelien vorkommt, weil es einfach ist und anschaulich erklärt, was Jesu Botschaft ist, um was es geht (Mt 13, 19-32; Mk 4, 3-20). Das Leben der Natur kennt jeder. Also müsste das Gleichnis auch von jedem verstanden werden, auch die Botschaft dahinter. Das ist aber nicht der Fall, da es die Natur der Natur ist, dass nicht immer alles glatt läuft. Die Wechselfälle des Wetters verhageln manchmal die Ernte. Es kann aber auch schon bei der Saat anfangen. Wer auf den Wind achtet, der sät nicht; und wer auf die Wolken sieht, der erntet nicht (Pred 11,4).
Jesus und vor ihm schon die heiligen Menschen und Propheten und in seiner Nachfolge noch viele weitere, haben Gottes Wort vielfältig gesät, immer wieder in andere Bilder gepackt, sich den Mund fusselig geredet. Wort wird erst zum Wort durch Menschen, die es verkünden und durch Menschen, die es aufnehmen. Das Wort ist die Saat, die in uns gesät ist, wir zertrampeln die Botschaft achtlos auf unserem Weg, leben sie oberflächlich, nicht belastbar, haben eine Gottes-Schönwettererwartung, die bei der ersten Wolke zusammenbricht. Wir ersticken das Wort, indem wir es durch unsere banalen Alltagssorgen überwuchern lassen und uns durch irdische Güter, Reichtum, Ruhm, Schönheit, Wohlfahrt und Wohlstand selbst ersticken, nicht die Kraft haben, die Dornen und das Gestrüpp zurückzuschneiden, unter Kontrolle zu bringen und unter Kontrolle zu halten. Wir merken nicht einmal, dass wir uns selbst ersticken oder schieben es anderen oder gar Gott in die Schuhe. Weit gefehlt.
Wir haben es selbst in der Hand, wie wir unseren Acker bestellen. Wie Aasgeier fallen die bekennenden Nichtgläubigen über die Schein-Gläubigen her oder auch umgekehrt, achtlos jedes Wort zertrampelnd. Beide sind in diesem Tun fruchtlos und zerstörerisch, nur böse Saat geht auf. Sie werden sich gegenseitig zertrampeln und auffressen: Mein Erbe ist wie ein bunter Vogel, um welchen sich andere bunte Vögel sammeln, allesamt schiefe Vögel, die meinen Acker zertreten und meine Saat auffressen; sie haben meinen schönen Acker zur Wüste, zur Öde gemacht, aber niemand will es sich zu Herzen nehmen (Jer 12,8-11).
Auch die Lebens-Wetter abhängigen bringen am Ende keine Frucht, da sie nicht tief genug in Gott verwurzelt sind. Jedes Lüftchen oder Wölkchen lässt sie zweifeln, nicht zu sprechen vom Sturm, der Anfechtung. Gottes Wort wird nur hoch gehalten, solange es einem gut geht und nach dem eigenen Kopf. Wehe Gott, wenn mein Leben sich wendet, dann kündige ich meine Freundschaft mit dir auf. Oder auch umgekehrt: Gott wird nur angefleht und angebetet, wenn es einem schlecht geht, man im Elend und der Finsternis ist. Sobald wieder eine andere glänzende Sonne, eine Liebe, eine vermeintliches Glück oder einfach bequemes Wohlergehen aufgeht, schmilzt Gott in ihnen wie ein Schneemann in der falschen Sonne. Keine Substanz. Vielmehr als ein selbstgebauter Schneemann ist Gott, ist sein Wort und seine Botschaft, in diesen Fällen auch nicht. Die Saat hat sich zum Flachwurzler entwickelt, Flachpfeifen, die nicht begreifen, dass man zum Leben lebendiges Wasser braucht, das nur aus der Tiefe zu gewinnen ist. Sie merken gar nicht, wie sie langsam im Schein ihrer falschen Sonnen verdursten und verwelken. Sie geben dem Samen keinerlei Chance zu gedeihen: … und werden wie das Feldgras und wie das grüne Kraut, wie Gras auf den Dächern, welches verdorrt, ehe es denn reif wird (Jes 37, 27).
Und etliches vom Samen viel unter die Dornen und die Dornen gingen auf und erstickten die Saat. Das Lebensgestrüpp überwuchert das Wort und die gute Botschaft. Sie hat keine Chance, bekommt nicht genügend Platz und Raum, sich zu entfalten. Alles andere ist wichtiger. Und am Ende flechten wir noch aus unserem Dornengestrüpp, in dem wir uns verfangen haben, eine Dornenkrone und drücken sie dem Sämann auf das Haupt, behauptend, der eigene Same sei damit aufgegangen, fruchtbar gewesen und werde in Gottes Scheuer gefahren. Welch ein Unsinn. Mit Jesu Lehre oder dem, was bei den Propheten steht, hat das nichts zu tun:
Denn es soll zu der Zeit geschehen, dass die Propheten mit Schanden bestehen mit ihren Gesichten, wenn sie weissagen; und sollen nicht mehr einen härenen Mantel anziehen, damit sie betrügen; sondern er wird müssen sagen: Ich bin kein Prophet, sondern ein Ackermann; denn ich habe Menschen gedient von meiner Jugend auf. So man aber sagen wird zu ihm: Was sind das für Wunden in deinen Händen? wird er sagen: So bin ich geschlagen im Hause derer, die mich lieben (Sach 13, 4-6).
Sie säen Weizen und werden Disteln ernten (Jer 12, 13): Denn das Kalb ist aus Israel hergekommen, und ein Werkmann hat's gemacht, und es kann ja kein Gott sein; es wird zerpulvert werden. Denn sie säen Wind und werden Ungewitter ernten; ihre Saat soll nicht aufkommen und ihr Gewächs soll kein Mehl geben; und ob's geben würde, sollen's doch Fremde fressen (Hos 8, 6-7). Genau so ist es gekommen! Pflügt ein Neues und sät nicht unter die Hecken (Jer 4, 3), damit ihr ein guter Acker werdet! Gebt Acht, begebt auch nicht auf den falschen Acker, lasst euch nicht böse Saat für gute verkaufen!
Der Menschen Sohn ist es, Jesus, der den Guten Samen sät. Der Acker ist die Welt. Der gute Same sind die Kinder in Gottes Reich. Das Unkraut sind die Kinder der Bosheit. Der Feind, der sie sät, ist das Böse. Die Ernte aber ist das Ende der Welt. Die Schnitter sind die Engel. Gleichwie man das Unkraut ausjätet und mit Feuer verbrennt, so wird's auch am Ende dieser Welt gehen: des Menschen Sohn wird seine Engel senden; und sie werden sammeln aus seinem Reich alle Ärgernisse und die da unrecht tun, und werden sie in den Feuerofen werfen; da wird sein Heulen und Zähneklappen (Mt. 13, 37-42; Jak 5, 1-7). Und die sieben Engel mit den sieben Posaunen rüsten sich zu posaunen (Offb 8, 6).
Die Zeit der Ernte wird kommen, ist schon da: Saget ihr nicht: Es sind noch vier Monate, so kommt die Ernte? Siehe, ich sage euch: Hebet eure Augen auf und sehet in das Feld; denn es ist schon weiß zur Ernte. Und wer da schneidet, der empfängt Lohn und sammelt Frucht zum ewigen Leben, auf dass sich miteinander freuen, der da sät und der da schneidet. Denn hier ist der Spruch wahr: Dieser sät, der andere schneidet. Ich habe euch gesandt, zu schneiden, was ihr nicht gearbeitet habt; andere haben gearbeitet und ihr seid in ihre Arbeit gekommen (Joh 4, 32-38). Das Feld ist schon weiß zur Ernte, das weiße Kleid liegt bereit. Wir müssen es nur anziehen wollen.
Der gute Acker trägt Frucht, der gute Same geht auf, wenn auch nicht jeder Same gleichermaßen, mancher 100fältig, mancher 60fältig, mancher 30fältig (Mt 13, 23; Mk 4, 8). Man kann das verstehen wie beim Gleichnis von den tüchtigen und dem nutzlosen Knecht (Mt 25, 14-30). Jeder hat unterschiedliche Gaben, von jedem wird nur soviel Frucht verlangt, wie in seinem Vermögen steht. Nur gar keine Frucht bringen, bringt am Ende gar nichts ein, da bleibt jede Scheuer leer. Denn siehe, ein Ackermann wartet auf die köstliche Frucht der Erde und ist geduldig darüber, bis er empfange den Frühregen und den Spätregen (Jak 5, 7).
Lieber Luther, ich könnte noch viel anreihen, aber es ist spät. Wer sät heute? Was heute wohl wieder von den Kanzeln kommt, guter oder schlechter Same? Mich kümmert das nicht. Das Himmelreich ist, als wenn ein Mensch Samen aufs Land wirft, mag er noch so klein wie einSenfkorn sein, und wächst und gedeiht, so dass auch die Vögel unter der Sonne unter seinen Zweigen Schutz finden (Mk 4, 31-33). Jeder Mensch kann ein fruchtbarer Acker sein, Gottes Wort in sich Raum zum Wachsen geben und aus der Frucht säen, damit sie sich vermehrt. Jeder kann das, jeder kann ein guter Acker sein, wenn er will. Deshalb auf, lieber Luther, in die Hände gespuckt und den Acker bestellt. Maria Lichtmeß ist vorbei. Von nichts kommt nichts!
Herzliche Grüße
Deborrah

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen