Lieber Luther

Lieber Luther

Sonntag, 1. Februar 2015

Erste und Letzte - Groschen gefallen?

Lieber Luther,
die Letzten werden Erste sein und die Ersten Letzte. Darum geht es im Predigttext dieser Woche (Mt 20, 1- 16). Man hört quasi die Gutmenschen erschrecken.
Diejenigen, die denken, sie seien die Ersten. Die Ersten an der Macht, die selbsternannten Könige dieser Welt, die Religions- und Glaubenseifrigen, die Kirchenersten, diejenigen, mit vermeintlich selbstlosem Helfersyndrom. Alles umsonst? Kein Verdienst, keine Besserstellung? Keine Belohnung? Im Gegenteil, ich, der Gute, werde am Ende noch hintangestellt: Die Letzten werden die Ersten sein, die Ersten die Letzten. Verkehrte Welt also, nach der menschlichen Logik der eigenen Profitmaximierung, ob zugegeben oder nicht. Die gottlosen Ausbeuter, diejenigen, die die anderen treten, schlagen, töten, verelenden brauchen nur eine Stunde vor Torschluss noch auf den Zug aufspringen und sind sofort wieder diejenigen, die wieder auf der Gewinnerseite sind? Meinst du das wirklich so, lieber Gott? Ist das gerecht? Das menschliche Ego verweigert sich dem, empfindet es als Zumutung, gekränkte Eitelkeit, enttäuschtes persönliches Gerechtigkeitsempfinden. Innere Rebellion.
Was ist der Zusammenhang? Gleich in einer Reihe von Gleichnissen wird im Matthäusevangelium versucht, den Groschen zum Fallen zu bringen. In Mt 19, 30 steht diese Botschaft, die als Zumutung empfunden wird, schon einmal, etwas anders formuliert: Aber viele, die da sind die Ersten, werden die Letzten, und die Letzten werden die Ersten sein. Genau darin besteht die Hoffnung, die Hoffnung, zu den Letzten zu gehören: Wahrlich ich sage euch, sagt Jesus, ihr, die ihr mir nachfolgt, werdet, wenn ihr in das neue Leben geboren werdet, mit des Menschen Sohn auf dem Stuhl seiner Herrlichkeit sitzen. Wer Häuser, Brüder, Schwestern, Vater oder Mutter, Frau oder Kinder, all sein Habe verlässt, um meines Namens willen, der wird es hundertfältig nehmen und das ewige Leben ererben (Mt 19, 28-29). Lot und seine Frau lassen grüßen. Kapiert und nicht kapiert. Es geht um bedingungslose Nachfolge, darum, dass man Gott alleine folgt und sich nicht an Menschen und irdische Güter klammert. Es geht um Gottvertrauen, es geht darum, das alte gewinnstrebende Leben zu lassen und das neue Leben zu gewinnen.
Vater, Mutter, Frau und Kinder zugunsten der Nachfolge zu verlassen – bei Lukas heißt es gar hassen – da schluckt der ein oder andere, weil er denkt, das ist nicht möglich, weil er ist, wie der reiche Mann im Gleichnis vorher, der alle Gebote hält, aber seinen irdischen Güter höhere Priorität einräumt als der Nachfolge Jesu (Mt 19, 16-23). Oder im Gleichnis von der Ehescheidung, das wörtlich genommen wird, obwohl Jesus sagt: Das Wort fasst nicht jedermann, sondern denen es gegeben ist. Und nochmals mit Ausrufezeichen: Wer es fassen kann, der fasse es! Mt 19, 3-12).
Aber, vergebliche Liebesmühe. Gefasst wird es, aber falsch. Eine banale irdische Ehescheidung zu erfassen bedarf es keines höheren oder tieferen Verständnisses seit es Mann und Frau gibt. Der Groschen ist nicht gefallen, bis auf den heutigen Tag. Deshalb also ein weiterer Anlauf Jesu das Einfache in einem weiteren Bild begreiflich zu machen:
Das Himmelreich ist gleich einem Hausvater, der Arbeiter gewinnen will, um in seinem Weinberg zu arbeiten. Nur wenn man einen Weinberg pflegt, bringt er auch Frucht. In Gottes Weinberg zu arbeiten, heißt mitzuhelfen, dass die Frucht an Gottes Weinstock auch gedeihen kann. Mitzuhelfen heißt, das geht aus dem Gleichnis Mt 19, 28-29 hervor, Jesus nachzufolgen, Gottes Wort zu dienen, den ewigen Bund mit ihm zu halten, keine Hurerei zu betreiben mit anderen Göttern (Mt 19, 3-12), den irdischen Gütern keine Priorität einzuräumen, wie der reiche Mann, der seine irdischen Gütern der Nachfolge vorzieht (Mt 19, 16-23).
Morgens, mittags, nachmittags versucht der Hausvater, der das himmlische Haus bewohnt, Menschen für die Arbeit in seinem Weinberg zu verpflichten. Irdische Reichtümer sind nicht zu gewinnen: Ein Groschen ist der symbolische Lohn. Bis kurz vor Sonnenuntergang, der elften Stunde, versucht der Hausvater, Arbeiter in seinem Weinberg zu sammeln. Und er hat Erfolg. Wieso steht ihr so nutzlos herum, fragt der Hausvater diejenigen, die er findet: Es hat uns niemand gedingt, sagen sie.
Es hat und niemand gedingt. Diese Antwort bricht einem fasst das Herz: Es hat sie niemand geworben für die Arbeit in Gottes Weinberg. Niemand war da, der sie auf Gottes Acker
hingewiesen hat, der ihnen erzählt hat, dass es da etwas zu tun und zu gewinnen gibt. Ihr armen Leute, denkt man, und möchte sie entschuldigend in die Arme nehmen, es tut mir Leid, dass ich säumig war und euch so lange warten ließ. Das Gleichnis vom verlorenen Sohn kommt mir in den Sinn. Es ist das gleiche gemeint. Gott freut sich über jeden, der doch noch in seinen Weinberg gefunden hat, sei es früher oder später. Was zählt, ist: Ich folge dir nach und freue mich über den gerechten Lohn, den ich von dir empfangen werde.
Was ist aber der Lohn? Ein Groschen? Für alle gleichermaßen? Auch für diejenigen, die kurz vor Sonnenuntergang kommen? Bei vielen Arbeitern in Gottes Garten ist der Groschen nicht gefallen. Sie haben zwar brav in Gottes Weinberg gearbeitet, aber bitteschön, lieber Gott, dann will ich entsprechend belohnt werden, und besser als diejenigen, die einen Bruchteil der Mühsal für dich auf sich genommen haben. Gott wird die Rechnung für die Arbeit in seinem Acker präsentiert. Die Erwartungshaltung ist beträchtlich, der Neid auch. Wie hieß es doch gleich: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst. Sieht so Nächstenliebe aus? Deshalb heißt es: Viele sind berufen, aber wenige auserwählt. Es sind noch ein paar Hochzeitsgäste da, die keine Festtagskleider an haben. Zum schönen Schein arbeiten reicht nicht. Das Prinzip muss den ganzen Menschen durchdringen, Leib und Seele. Und wieder hört man Jesus seufzen: Sie haben es immer noch nicht kapiert.
Ihr habt nicht kapiert, dass euer aller Lebenstag einmal zu Ende geht und dass der Lohn, den es zu gewinnen gibt, das Neue Leben ist, in meinem Weinberg, in meiner Stadt, im neuen Jerusalem, in meinem Haus. Ihr habt Zeit, bis eure Sonne untergeht, ich gebe euch viele Chancen und Möglichkeiten, bis zuletzt. Ihr könnt euch für den Weinberg entscheiden oder die Dunkelheit, die Finsternis. Wenn eure Lebenssonne untergegangen ist und ihr eure Chance nicht genutzt habt, habt ihr das Neue Leben verspielt. EINEN Groschen könnt ihr gewinnen, EINEN, den EINEN, das EINS sein mit dem EINEN, keine irdischen Reichtümer, den EINEN Himmel könnt ihr gewinnen, den Stuhl der Herrlichkeit. Bist du nicht mit mir EINS geworden für nur einen Groschen? Oder bist du etwa ein falscher 50iger?
Eifersucht und Neid sind falsch am Platz. Der Hausherr sagt: Ich gebe euch was recht ist. Auf meine Gerechtigkeit kann jeder zählen. Das ist die Währung, auf die ihr setzen müsst. Was rechtet ihr mit mir? Ich übe Gerechtigkeit. Meint ihr, dass Gerechtigkeit ist, ungleich gerecht zu sein? Einer bekommt mehr Gerechtigkeit, mehr Groschen, als die anderen? Ihr schaut mich unwirsch an, weil ich gerecht und gütig bin?
Und wieder hört man Gott seufzen: Ihr habt es immer noch nicht kapiert, was wichtig ist. Der eine Groschen steht für die eine Gerechtigkeit, die Gott allen gleichermaßen zukommen lässt. Gottes Maßband misst alle nach der gleichen Skala. Das ewige Leben, das neue Leben nach Sonnenuntergang, am Ende der Zeit, kennt keinen Unterschied: Entweder du entscheidest dich für den Himmel oder für das ewige Nichts. Jeder, wirklich jeder, ist willkommen. Bis zur allerletzten Stunde ist die Tür zu meinem Weinberg offen, habt ihr die Möglichkeit zu den Letzten zu gehören. Die Letzten sind aber diejenigen, die im Neuen Leben ankommen, im Himmelreich, in Gottes Reich. Diejenigen, die vor mir Erste, Erstlinge sind, Erstlinge in der Nachfolge des Ersten – Jesus -, die werden auch am Ende die Letzten sein, das heißt die Übriggebliebenen, die im Neuen Leben ankommen, im Neuen Jerusalem.
Lieber Luther, die Ersten werden Letzte, Übriggebliebene, sein, und die Letzten diejenigen, die zu Gottes Ersten gezählt haben. Das heißt, dass, wer Gott im irdischen Leben hat, der hat ihn im fleischlichen Sterben und im Erwachen im Neuen Leben. Wahrlich, sagt Jesus, wer mir nachfolgt, wird das ewige Leben ererben. Meine Ersten werden meine Letzten sein. Lieber Luther, hoffen wir, dass der irdische Groschen für immer fallen wird.
Herzliche Grüße
Deborrah

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