Lieber Luther,
an Salomon kommt man nicht vorbei, ohne sich mit seiner Weisheit zu beschäftigen. Von so einem weisen Mann muss doch etwas zu lernen sein. Aber was? Um sich Salomons Weisheit zu nähern, muss man sich zunächst mit den Rahmenbedingungen beschäftigen.
Salomon war jung, als er seinen Vater David als König beerbte und es muss ihm etwas bange vor der Größe der Herausforderung gewesen sein. So betet er zu Gott und dieser erscheint ihm in einem Traum. Folgender Dialog entwickelt sich (1.Kön 3, 7-14):
Ich bin ein junger Mensch und weiß weder meinen Ausgang noch meinen Eingang, sagt Salomon. Gib deinem Knecht ein gehorsames Herz, dass er dein Volk richten möge und verstehen, was gut und böse ist. Den wer vermag dein mächtiges Volk zu richten?
Und Gott antwortet: Weil du das von mir erbittest und nicht bittest um ein langes Leben, Reichtum oder die Seele deiner Feinde, sondern um Verstand, damit du gerecht richten kannst, so sei es dir gewährt. Ich habe dir ein weises und verständiges Herz gegeben, das einzigartig unter den Menschen ist und auf ewig sein wird. Weder vor noch nach dir, wird jemand so weise sein wie du. Und dazu gebe ich dir Reichtum und Ehre, so dass kein König, der zu deiner Zeit lebt, mit dir an Pracht und Herrlichkeit vergleichbar ist. Wenn du auf meinen Wegen gehst, meine "Sitten" und meine Gebote hältst, wie dein Vater David, so will ich dir ein langes Leben geben.
Da kann nichts mehr schiefgehen, denkt man zunächst. Sein Reichtum mehrt sich wie fast von selbst, er baut prachtvolle Bauwerke, seine Weisheit und sein Ansehen wird sprichwörtlich, über die Grenzen seiner Herrschaft und über die Jahrtausende hinweg. Das fordert heraus, wie die Episode mit der Königin von Saba zeigt. Kann ein Mensch wirklich so weise sein (1.Kön 10, 1-13)?
Die Königin von Saba ist gekommen, um Salomon mit Rätseln herauszufordern. Sie muss aber schnell feststellen, dass weder das Gesagte noch das Ungesagte vor Salomon verborgen bleibt: Deine Weisheit und dein Gut übertrifft alle Beschreibungen. Glückselig die Menschen, die allezeit vor dir stehen und deine Weisheit hören. Gepriesen sei der HERR, dein Gott, der Wohlgefallen an dir hat und dich auf den Thron Israels gesetzt hat, damit du Recht und Gerechtigkeit übst.
Salomon ist der Inbegriff der Weisheit. Seine Mission ist, von Gottes Weisheit zu künden. Er ist nur der Übermittler dessen, was Gott in seinen Mund gelegt hat. Er soll uns sagen, die Quelle von Gottes Gesetz, seinem Recht, seiner Gerechtigkeit, seines Gerichts ist seine Weisheit. Sie kennt alles, ihr ist nichts fremd. Sie ist frei von einfachem Schwarz-Weiß-Denken. Salomon erzählt, was gerecht richten vor Gott heißt. Gott hat es ihn erkennen lassen.
Wenn man die Weisheitssprüche Salomons liest, versteht man, dass das, was vor Gott Recht und rechtschaffen ist, beileibe nicht auf die 10 Gesetzestafeln Moses passen, sich auf 10 Allgemeinsätze reduzieren lässt. Wer dieses glauben machen will, verfällt in den Fehler der Pharisäer, den Jesus anprangert: Er missbraucht das Wort und macht es aus eigenen Interessen zu Schul- und Lehrsetzungen, die den Menschen verpflichtet anstatt befreit. Jesus ist massiv dagegen angegangen. Die 10 Gebote gehen auf (oder unter) in Gottes Recht, sie sind nicht das, was unter Recht und Gerechtigkeit im Tenor der Bibel, nicht in Einzel(teil)sätzchen – um bei der Rechtssprache zu bleiben – gemeint ist. Was Gott unter Recht und Gerechtigkeit versteht, ist nicht nur, aber im Zusammenhang in der Hauptsache, von Salomon überliefert. Gottes Recht ist – im Gegensatz zum menschlich gesetzten Recht – nur in Verbindung mit Gerechtigkeit zu denken, gegründet in Gottes allesverstehender Weisheit.
Lieber Luther, die Weisheitssätze Salomons lehren uns: Gott richtet wesentlich differenzierter als manche Theologie. Gott schaut das Leben an und setzt in den Kontext, er urteilt nicht lebensfern. Die von Salomon überlieferte Weisheit erweitert den Horizont und befreit uns in das Vertrauen auf Gottes Gericht, in das Vertrauen auf Gottes Weisheit, aus der heraus er, Jesus Christus, gerecht richtet und richten wird. So wie zu Salomon alle Welt freiwillig kommt, um seine Gerechtigkeit zu sehen, hierfür steht die Königin von Saba, so sollen wir freiwillig zu Jesus kommen, der auf Gottes Thron und Richtstuhl sitzt, und dessen Weisheit und Gerechtigkeit sehen, ihm und seiner Gerechtigkeit vertrauen. Sie übersteigt, davon zeugt Salomon, jegliche menschliche Weisheit, denn siehe, Jesus ist mehr als Salomon (Mt 12, 42).
Salomon steht aber auch dafür, dass menschliche Weisheit nicht heißt, dass Mensch auch immer weise handelt. Auch Salomon stolpert, wie so manch anderer auch in der Bibel und jetzt, über seine Lust. Er baut nicht nur, worauf er Lust hat, er nimmt sich auch die Frauen, auf die er Lust hat. Wie so oft, hilft da bei Salomon auch alle Weisheit und alle Gottesfürchtigkeit nicht. Fleisch siegt auch bei ihm über jeglichen Verstand. Angelegt ist das schon zu Anfang: Er wandelte nach den Sitten seines Vaters David, "nur dass er auf den Höhen opferte und räucherte" (1.Kön 3, 2). Er folgte nämlich nicht gänzlich dem HERRN, wie sein Vater David (1.Kön 11,1-13), baute dem Namen Gottes zwar einen glänzenden Tempel, aber ging auf fremd. Wie konnte das geschehen?
In der Bibel steht lapidar: Aber der König Salomon liebte viele ausländische Weiber. Wie bei allem, übersteigt Salomon auch hier alle Vorstellungskraft: Von 700 "vornehmen" Frauen und 300 weiteren Geliebten ist die Rede. Die andersgläubigen Frauen verführten ihn dazu, den fremden Göttern zu opfern. Eva wurde ihrem Namen gerecht und Adam ließ sich willig verführen. Bei Salomon scheint die Verführbarkeit zur Abgötterei eine Alterserscheinung gewesen zu sein, heutzutage würde man sagen: Midlife Crisis oder aber – wahlweise - Demenz. Wenn Gott etwas nicht mag, dann Abgötterei, die Vielweiberei ist ihm egal, fleischliche Belanglosigkeit, solange er die Frauen versorgt. Abgötterei, oft in der Bibel als Hurerei bezeichnet, ist das einzige, für das er keine Toleranz und kein Verständnis aufbringt. Die gesamte Bibel zeugt davon, von dem EINEN Gott, der darum bettelt, dass wir ihn allein als unseren Gott (an)erkennen, unseren mit ihm geschlossenen Bund halten und ihm treu sind. Salomon sollte die Konsequenzen seiner Untreue, des Bruchs seines Bundes mit Gott, erfahren.
Salomon hat den Frauen seine Treue zu Gott geopfert. Er, den Gott mit Weisheit und Reichtum gesegnet hat, hat diesen Segen mit Füßen getreten. Er hat in all seiner Weisheit nicht erkannt, dass er den falschen Weg einschlägt. Gott gibt zu erkennen: Weil du meinen Bund und meine Gebote nicht gehalten hast, will ich das Königreich von dir reißen und deinem Knecht geben. Nicht dir, aber deinem Sohn wird dies geschehen. Ich will ihm aber einen Stamm lassen, nicht deinetwegen, sondern deines Vaters David wegen, auf dass David, mein Knecht, vor mir eine Leuchte habe auf all seinen Wegen in der Stadt Jerusalem, die ich mir erwählt habe, dass ich meinen Namen in ihr aufrichte. (1.Kön 11, 36). Alles musste so geschehen, damit etwa 1000 Jahre später Jesus in die Stadt Davids einziehen konnte. Die Weisheit Gottes hat alles schon vorher bedacht.
Lieber Luther, Salomon hat beinahe alles, was sein Vater über Jahrzehnte hart und mit viel Entbehrungen erkämpft hatte, verspielt. Er konnte in Weisheit zwar die anderen richten, aber bei sich selbst war er betriebsblind. Das muss ihn in seinen Grundfesten erschüttert haben. Keine Weisheit hat ihn vor dem entscheidenden Fehler bewahrt. Er hat das von Gott verliehene Königtum für sein persönliches Vergnügen leichtfertig verschenkt. Gott hat ihn daraufhin von Thron über ganz Israel gestoßen, das Königreich war aus seiner Hand genommen. Demut und Gottvertrauen war gefragt, Dürre nach der Fülle.
Lieber Luther, Weisheit bewahrt nicht vor Einfalt, Verstand nicht vor Unverstand, Gottes Herrlichkeit nicht vor Selbstherrlichkeit. Salomon, der über den Dingen geschwebt hat, musste feststellen, dass auch er nur ein fehlbarer Mensch ist. Das hat ihn verändert. Er wurde vom gerechten Richter, vom bewunderten König, zum Prediger. Die Welt sollte von ihm und dem, was er über die Weisheit gelernt hat, lernen. Weisheit, wo fängst du an und wo sind deine Grenzen? Das war die Frage, die ihn fortan beschäftigte. Zu welchem Ergebnis ist er gekommen? Davon nächstens mehr.
Herzliche Grüße
Deborrah
Deborrah
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