Lieber Luther,
Jeremia war ein großer Prediger des Unbequemen, ein Prophet, der Könige und Priester, ihre Gottesferne und ihre Irrlehren anprangerte. Er predigte, was keiner hören wollte und ist dafür von denjenigen, die sich auf den Schlips getreten fühlten, so an den Rand gedrängt worden, verfolgt und verspottet, dass er darüber nicht mehr froh wurde. Dennoch hat er seinen Auftrag erfüllt, immer wieder, hat keinem nach dem Mund geredet, die unbequeme Botschaft wohl gescheut, aber nicht ausgelassen.
Jeremia hat sich vor allem mit den Herrschenden angelegt. Vergebliche Mühe, vergebliches Leiden, sie haben nicht auf ihn gehört, auch die Hirten nicht, bis auf den heutigen Tag (Jeremia 23):
Weh euch Hirten, die ihr die Herde meiner Weide umbringt und zerstreut, spricht der HERR. Ihr vertreibt, anstatt zu hüten und für sie zu sorgen. Deshalb will ich euch heimsuchen, um eures bösen Wesens willen. Ich will diejenigen, die zerstreut sind, selbst sammeln und auf meine Weide bringen. Dort sollen sie wachsen und sich vermehren. Ich will Hirten über sie setzen, die kein Unrecht mehr an meinen Schafen tun. Ich will einen erwecken, der für Recht und Gerechtigkeit auf Erden sorgen wird. Sein Name wird sein: Der HERR unsrer Gerechtigkeit. Er wird euch gerecht machen. Ich sage das und werde das tun, wider alle eure Reden und Predigten!
Das Land ist voll Ehebrecher und Hurerei, voller Menschen, die den Bund mit mir brechen, ihr Treueversprechen, das sie mir gegeben haben, hintanstellen, mich hintergehen. Ihr Leben ist böse und ihr Tun taugt nicht vor meinen Augen. Beide, falsche Propheten und Priester, sind Knechte des Bösen, die auch in meinem Haus zu finden sind.
Sie gehen auf einer schiefen Ebene, die sie unweigerlich ausgleiten und nach unten rutschen lässt. Ich will Unglück über sie kommen lassen, spricht der HERR, im Jahr ihrer Heimsuchung. Sie brechen den Bund mit mir und verbreiten Lügen. Sie stärken die Boshaften, auf dass ja keiner umkehre und sich zu mir bekehre. Sie bewohnen Sodom und Gomorra, das Reich des Verführers. Ich will sie mit Galle tränken, da sie mit ihrer falschen Rede und Heuchelei das Volk verführen. So spricht der HERR: Gehorcht nicht den Worten dieser falschen Propheten, sie betrügen euch, denn sie predigen, was sie in ihren dunklen Herzen sehen, nicht was aus dem Mund des HERRN kommt.
Sie beschwichtigen diejenigen, die mich nicht achten: "Der HERR hat's gesagt, es wird euch wohl gehen," und all denen, die sich nach ihren eigenen Vorstellungen richten, sagen sie: "Es wird kein Unglück über euch kommen." Wie anmaßend seid ihr! Ich frage euch: Wer ist von euch im Rat der Gerechten vor dem HERRN gestanden? Wer von euch hat sein Wort gesehen, vernommen und gehört?
Siehe es wird ein Ungewitter kommen, das auf sie regnen wird. Gottes Zorn über diese Untaten wird nicht nachlassen, bis sein Wille geschehen ist. Am Ende werdet ihr es wohl begreifen müssen und erfahren. Ich habe die falschen Propheten weder gesandt noch mit ihnen geredet. Das hält sie nicht davon ab, in ihrem eigenen Kaffeesatz zu lesen. Wären sie bei meinem Wort geblieben und hätten sie es dem Volk gepredigt, so wäre das Volk nicht davongelaufen, sondern hätte sich zu mir bekehrt. Bin ich nur ein Gott, der nahe ist, oder auch ein Gott, der über allem steht und alles sieht? Meinst du etwa, vor mir könne jemand sein wahres Wesen verbergen? Bin ich nicht die Fülle, die Himmel und Erde umfasst?
Ich höre die falschen Prediger sehr wohl, die vorgeben, in meinem Namen zu sprechen, die sich eigene Geschichten ausdenken, anstatt sich an mein Wort zu halten und damit bewirken, dass mein Volk meinen Namen vergisst. Der Träumer soll träumen, wer aber mein Wort hat, der predigt recht. Wer mich recht erkennt, zeigt denjenigen, die meiner bedürfen, was mein Recht ist (Jer 22, 16). Es ist wie mit Stroh und Weizen: Wie bringe ich die Frucht in die Scheuer, anstatt Stroh, das unter meinem Wort verbrennt? Versetzt mein Wort nicht Berge? Darum siehe, ich werde den falschen Predigern, die einander gegenseitig in Ammenmärchen übertrumpfen, aber nicht mein Wort verkünden, einmal zeigen, was mein Recht ist. Sie verführen mein Volk mit ihren Lügen und verantwortungslosen Reden. Sie sind kein Nutzen, sondern Schaden.
Wenn ihr gefragt werdet, was die Last des Herrn sei, dem sagt: Ihr seid die Last des Herrn, ich will euch deshalb abwerfen. Wer mein Recht und meine Gerechtigkeit als Last ansieht, den will ich heimsuchen. Der HERR sagt: Nennt mein Recht und meine Gerechtigkeit nicht mehr "Last des HERRN". Denn ihr werdet nach eurem Wort gemessen. Einem jeden wird sein Wort eine "Last" sein, weil ihr die Worte des lebendigen Gottes verdreht.
Und was antwortet ihr den falschen Propheten und Predigern: Weil ihr meine Worte "Last des HERRN" nennt, obwohl hier geschrieben steht, ihr es lesen könnt, dass ihr das lassen sollt, deshalb will ich euch hinwegnehmen und von meinem Angesicht verwerfen, euch zur ewigen Schmach und Schande.
Lieber Luther, kennen wir diese Wehe-Rufe über die Hirten nicht von Jesus? Sind sie nicht wie seine Wehe-Rufe über die Pharisäer und Schriftgelehrten? Er sagt auch, ich bin nicht gekommen zu trennen, sondern das Wort der Propheten zu erfüllen. Er kann zwischen Berufspropheten und berufenen Propheten unterscheiden.
Oder, lieber Luther: Gilt das überlieferte Wort vielleicht gar nicht mehr? Ist ja Altes Testament, interessiert uns nicht mehr? Es waren nur die alten Hirten gemeint, nicht die jetzigen. Oder: Jesus hat alles aufgehoben, was Gott vorher durch die Propheten gesprochen hat? Oder: Mit der Taufe hebt sich alles vorher von Gott Gesprochene auf, insbesondere die Teile, die von Recht, Gesetz und Geboten, Verpflichtungen, zu haltendem Bund verkünden? Oder: Was getauft ist, ist Christ per se, egal was er treibt und tut und wie gottlos er auch im Herzen ist? Oder: Alles hinweggefegt durch Paulus? Der selbsternannte Apostel bekommt das Gewicht von Gottes Wind, bläst das von den Propheten überlieferte Wort Gottes und Jesu Wort in den Evangelien mit seiner Theologie hinweg? Oder, der Gipfel: Hirten und Schafe meinen eine landwirtschaftliche Betätigung? Alles schon von Berufsgeistlichen gehört. Jeremia gibt Orientierung.
Herzliche Grüße
Deborrah
Deborrah
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