Lieber Luther,
manchmal steigen wir die Lebensleiter hoch, hin und wieder bricht eine Sprosse und ab geht es nach unten, wenn man Pech hat ungebremst. Auf wundersame Weise erkennen wir dann aber, dass wir gar nicht fallen, sondern nur die Leitern gewechselt haben.
Die Geschichte von Jakob und Esau ist ein Beispiel hierfür (1.Mose 25-28). Jakob und Esau waren Zwillingsbrüder, schon gegeneinander kämpfend im Mutterleib. Esau war der wilde, der Instinkt Geleitete, der Naturmensch. Er kam rötlich behaart zur Welt und behaart blieb er. Jakob war der Folgsame, der Ziel-Gerichtete, ein „glatter“ Mann, dabei war er durchaus auch skrupellos.
Jakob versuchte – mit Erfolg – Esau sein Erstgeburtsrecht abzukaufen, was ihm auch gelang, mit einem einfachen Gericht aus roten Linsen. Esau kam von der Jagd, hatte Hunger und wollte von „dem Roten“, das Jakob gekocht hatte, essen. Jakob hat aber nicht brüderlich geteilt, sondern zur Bedingung gemacht, dass Esau ihm sein Erstgeburtsrecht dafür überlasse. Bei Esau war der Magen näher als der Verstand und so willigte er leichthin ein. Zunächst war das nur ein Handel unter den beiden, der Segen Isaaks, des Vaters, fehlte dazu noch.
Rebekka, deren Lieblingssohn Jakob war, hatte einen Plan, Jakobs Erstgeburtsrecht widerrechtlich zu legalisieren. Jakob zog Esaus Kleider und Fellhandschuhe an, so dass sich seine Hand wie Esaus behaarte rauhe Hand anfühlte. Rebekka kochte Isaaks Lieblingsessen, was diesen einschläfern und die Sache befördern sollte.
Isaaks Lieblingssohn war aber Esau. Er fühlte, dass er bald sterben würde und wollte Esau als seinen Erstgeborenen mit all seinen damit verbundenen Rechten segnen. Er schickte ihn deshalb, ein Wild zu schießen und ihm ein Mahl zuzubereiten, „dass ich esse, damit meine Seele dich segnet“.
Das war das Szenario, als Jakob vor Isaak erscheint. Isaak war blind, aber nicht dumm. Er wundert sich, dass Esau schon wieder so schnell von der Jagd zurück ist. Jakob lügt frech beim Namen Gottes: „Weil der Herr , dein Gott es (das Wild) mir (so schnell) begegnen ließ“. Isaak bleibt misstrauisch und will seinen Sohn betasten. Er erkennt: Deine Stimme ist Jakobs Stimme, aber die Hände sind Esaus Hände. Er traute nicht der Stimme, er traute den Händen und so segnete er ihn und wurde von Jakob getäuscht.
Jakobs und Esaus Schmerz war groß, als sie den Betrug bemerkten, aber der Segen war ausgesprochen und nicht mehr rückgängig zu machen. Jakob war über Esau gesetzt. Es ist nicht verwunderlich, dass Esau Rachegedanken gegen Jakob hegte und dieser fliehen musste.
Ist das deine Gerechtigkeit, o Gott? Du belohnst einen Betrug? Nun ja, Jakob musste in der Folge 20 Jahre seinem Onkel dienen, bevor er sich wieder in die Heimat aufmachen konnte. Gottes Wege sind für uns nicht nachvollziehbar und wir können sie nicht nach unseren (wechselhaften) Moralvorstellungen bewerten, beurteilen oder gar verurteilen. Da würden wir uns über Gott setzen.
Vor diesem Hintergrund bettete sich Jakob auf der Flucht vor Esau im Staub von Haran unter freiem Himmel zur Ruhe, mit einem Felsstück als Kopfkissen, als sich ihm der Himmel auftat.
Eine Himmelsleiter erschien ihm in Traum, Engel die auf der Leiter herunter und hinaufstiegen, Himmel und Erde verbanden. Gott erschien ihm persönlich, um ihm eine Botschaft zu verkünden, die Gottes Programm für alle Zeiten ist (1.Mose 28, 13-15):
Dir und deiner Nachkommenschaft,
werde ich das Land, auf dem du liegst, geben
ihr sollt wie der Staub der Erde werden und
euch in alle Himmelsrichtungen ausbreiten,
In euch sollen alle Geschlechter der Erde gesegnet werden.
Und siehe, ich bin mit dir, und
ich will dich behüten,
überall, wohin du gehst,
und dich in dieses Land zurückbringen,
denn ich werde dich nicht lassen,
bis ich getan, was ich zu dir geredet habe.
werde ich das Land, auf dem du liegst, geben
ihr sollt wie der Staub der Erde werden und
euch in alle Himmelsrichtungen ausbreiten,
In euch sollen alle Geschlechter der Erde gesegnet werden.
Und siehe, ich bin mit dir, und
ich will dich behüten,
überall, wohin du gehst,
und dich in dieses Land zurückbringen,
denn ich werde dich nicht lassen,
bis ich getan, was ich zu dir geredet habe.
Das ist Gottes Botschaft an uns, stellvertretend, vor 4000 Jahren über Jakob an die Menschheit ergangen und immer noch gültig, tief im kollektiven Gedächtnis der Menschheit vergraben, in unserer Seele eingestaubt. Sie ist gültig für alle Geschlechter, selbst wenn man sie wegwischt wie Staub, als Staub wird sie wieder zu Erde und fruchtbar.
Gott verspricht Jakob: Mein heiliges Land werde ich euch geben, meine heilige Stadt, mein Haus. Menschen so zahllos wie die Staubkörner werden mir nachfolgen, das heißt, am Ende alle Menschen, egal von welchem Volk oder welcher Himmelsrichtung sie kommen. Durch den Segen, den ich auf dich lege, sind auch sie gesegnet. Auch wenn du in unbekanntes Land ziehen musst, dich unterwerfen, dienen, nicht alles nach Plan läuft, ich bin bei dir und werde dich behüten, wohin du auch gehst. Ich werde dich immer in mein Haus zurückbringen. Ich werde dich nicht lassen. Auch, wenn du Böses getan hast und noch Böses tun wirst. Ich bleibe bei dir, bis du in mein Haus zurückgekehrt bist.
Gott hat sich höchst selten in der Bibel direkt einem Menschen gezeigt, in solch unvergleichlicher Klarheit und Direktheit nur Jakob. Deshalb ist das eine der zentralsten Bibelstellen überhaupt. Gott hat seine Botschaft selbst verkündet, in einer weltumspannenden Gewissheit, die nur Gott haben kann.
Der äußere Rahmen zeugt davon und ist der Feierlichkeit des Augenblicks angemessen: die Himmelsleiter, die Himmel und Erde verbindet, die Engel, die auf- und niedersteigen, in stetem Dienste im Auftrag Gottes an den Menschen. Sie ist Teil der Botschaft Gottes:
Siehe, Himmel und Erde ist verbunden, durch viele Sprossen, die man rauf und runter gehen kann. Die Engel kennen diese Leiter und sie nutzen sie, wenn ich sie zu euch schicke. Ihr seid nicht allein, ich oder einer der Meinen ist mit euch, wir sind beständig im Einsatz für euch.
Jakob erkennt das: Hier ist heiliges Land, hier ist Gottes Haus, hier ist die Pforte zum Himmel.
Lieber Luther, ehrfürchtig und andächtig wie Jakob sollten auch wir werden, wenn wir uns vergegenwärtigen, was dort eigentlich geschehen ist und vor allem, welche Botschaft uns Gott dort vermittelt: Ich lasse dich nicht. Auch wenn du fehlst. Jakob selbst ist hierfür ein beredtes Beispiel oder davor schon sein Großvater Abraham. Gott lässt uns nicht fallen, er behütet uns, auch wenn wir in die Irre ziehen.
Ich bin mit dir und will dich behüten, wo du auch hingehst. Ich habe dieses göttliche Zusage seit ein paar Jahren auf meinem Armaturenbrett im Auto kleben. Wenn ich deprimiert, entmutigt, ratlos bin und mein Blick auf dieses Gotteswort fällt, bin ich augenblicklich getröstet. Es geht eine große Kraft von ihm aus. Wir sollten es uns an die Stirn kleben und in jeden Winkel unseres Herzens, damit wir die Lebensleiter besser hochkommen. Einen Klebestift lege ich bei.
Herzliche Grüße
Deborrah
Deborrah
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