Lieber Luther

Lieber Luther

Samstag, 16. Januar 2016

Nichtsoweiter, Ohrenbläser

Lieber Luther,

Die (falschen) Worte des Ohrenbläsers, der Spruch für den gestrigen Tag, ist mir, wie eigentlich immer, gestern im Leben begegnet. Ich habe einen Text gelesen, einen Vorstellungstext und gedacht: Den kennst du doch. Eine Passage ist mir darin damals schon aufgefallen, weil sie offensichtlich geflunkert war, und nun stand sie schon wieder da.

Nachgeschaut, und tatsächlich, ich bin fündig geworden, ein Griff und ich hatte das Heftchen zur Hand. 2008 geschrieben. Der beinah identische Text, Alter, Frau und Ort ausgewechselt, eiliges Leben, und fertig ist die Laube.

Alte vergilbte Tapeten für neue zu verkaufen, in der Hoffnung oder sogar Erwartung, dass es keiner merkt - wer hat schon so ein langes Gedächtnis - mag arbeitsökonomisch sein, ist aber dennoch Unrecht an den Menschen, an die sie gerichtet sind, sie denken und erwarten, das Gesagte komme aus ehrlichem Herzen und entspreche der Wahrheit und es ist doch nichts als Betrug.

Wer die Sprüche in der Bibel liest, liest viel über wahre und falsche Lippen, über Aufrichtigkeit, die von Herzen kommt und Falschheit. Ein ehrliches, reines Herz belügt die Mitmenschen nicht. Vor Gott, das ist die Botschaft, besteht kein falscher Ohrenbläser, dessen Zunge sich windet wie eine falsche Schlange, damit sie verbirgt, was er wirklich denkt. Es ist Respekt- und Lieblosigkeit dem Mitmenschen gegenüber, ihn unehrlich zu behandeln. Ehrlichkeit heißt nicht, der Katze um den Bart zu gehen, sie heißt auch nicht, das falsche oder ehrliche Herz auf der Zunge tragen. In den Sprüchen ist ein differenzierteres Bild zu finden (nur Sprüche 16-19 im folgenden):

Wer Böses für Gutes vergilt,
von dessen Hause wird das Böse
nicht weichen (Sprüche 17,13)

Will heißen, wem Vertrauen, Offenheit, ehrliche Freude und Zutrauen entgegengebracht wird, und er "belohnt" dieses ehrliche Entgegenkommen mit einer aufgewärmten Botschaft, die schon an andere Menschen gerichtet wurden, der vergilt Gutes mit falschen Lippen:

Der Könige Gräuel ist, Gesetzlosigkeit tun;
Denn durch Gerechtigkeit steht ein Thron fest.
Der Könige Wohlgefallen sind gerechte Lippen;
Und wer Aufrichtiges redet, den liebt er (Sprüche 16, 12-13)
Ein Lügner gibt Gehör der Zunge des Verderbens (Sprüche 17,4)
Wer verkehrten Herzens ist,
wird das Gute nicht finden;
und wer sich mit seiner Zunge windet,
wird ins Unglück fallen (Sprüche 17,20)
Der Mund des Toren wird ihm zum Untergang,
und seine Lippen sind der Fallstrick seiner Seele (Sprüche 18,7)
Besser ein Armer, der in seiner Vollkommenheit wandelt,
als wer verkehrter Lippen und dabei ein Tor ist (Sprüche 19,1)
Ein falscher Zeuge wird nicht schuldlos gehalten werden;
Und wer Lügen ausspricht, wird nicht entrinnen (Sprüche 19, 5),
oder umkommen (Sprüche 19, 9)
Alle Brüder des Armen hassen ihn; wieviel mehr entfernen sich von ihm seine Freunde!
Er jagt Worten nach, die nichts sind (Sprüche 19,7)
Auch wer sich lässig zeigt in seiner Arbeit,
ist ein Bruder des Verderbers (Sprüche 18,8)
Faulheit versenkt in tiefen Schlaf, und eine lässige Seele wird verhungern (Sprüche 19, 15)
Höre auf Rat und nimm Unterweisung an, damit du weise seiest in der Zukunft. (Sprüche 19, 20)
Tod und Leben sind in der Gewalt der Zunge,
und wer sie liebt, wird ihre Frucht essen (Spr 18,21)

Hohe Zeit aufzuwachen!

Ist es verwunderlich, dass so sehr auf ehrliches Reden Wert gelegt wird, bei einem Gott, der sich auf das Wort gründet, das gesprochene, erzählte, verkündete, geschriebene Wort? Ein Gott, dessen Kommunikationsmittel menschliche Sprache ist, muss Wert auf wahres Wort legen, was nicht heißt, dass es immer die gleichen Worte sind in Jahrtausenden. Es geht um das Wort, das aus dem Wort in uns spricht und verstanden wird.

Das, was einem in der Bibel heute begegnet, passt heute ins Leben. Das macht viele, nicht alle, Bibeltexte unabhängig von ihrer Entstehungsgeschichte und auch von Religion. Die Bibel ist ein Weisheitsbuch vom Glauben. Die Weisheit Salomons ist nicht umsonst sprichwörtlich. Sie verweist mitten ins Leben und mitten in unser Scheitern. Auch heute noch.

Und noch ein weiser Spruch ist mir heute begegnet in einem Buch, das die „Neugeburt“ des Heiligen Benedikts beschreibt:

„Kehrtwendungen um 180° sind oft nur eine Illusion, denn unsere Gefühle und unser Verhalten müssen damit Schritt halten. Benedikts Verhalten gleicht einer Flucht. Wovor? Vor den Menschen, aber auch vor der eigenen Geschichte“*

Ein Übergehen und Weiterso bringt einem immer weiter vom rechten Weg ab.

Deshalb: Nichtweiterso!

Ein Verweis dringt bei einem Verständigen tiefer ein, als hundert Schläge bei einem Toren (Spr 17,10).

Herzliche Grüße
Deborrah

*) in: Gabriele Ziegler: Die Wüstenmütter. Weise Frauen des frühen Christentums. Camino. 2015

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