Lieber Luther

Lieber Luther

Sonntag, 26. Januar 2014

Charakterstudie à la Jesus

Lieber Luther,
wir gehen gern um mit einem weichgezeichneten Bild von Jesus. Wir wollen denken, er war nur sanft, nur mitleidig, nur vergebend. Der Gebende gefällt uns wohl, der Nehmende weniger. Auf diesem Auge sind wir gern blind. Jesus war durchaus kritisch mit uns, mit dem Menschengeschlecht.
Es gibt Stimmen, die sagen, Gott kann nicht zornig sein auf uns, wieso sollte er über sein Ebenbild zornig sein? Wirklich nicht? Wir können uns nun ausdenken und ausmalen, wie wir das gerne hätten. Die Bibeltexte werden eher kritisch beäugt – in den Teilen, die einem nicht gefallen zumindest. Das wird dann als "nicht nachprüfbar" deklariert, als Geschichten von Geschichtenerzählern, Hirngespinste. Als Referenz für Gott nimmt man lieber sich selbst, bastelt sich seinen Gott, wie man ihn gerne hätte, hört nur auf das eigene (innere) Geschwätz. Oder bastelt man sich da etwa einen eigenen Götzen? Rosinenpicken.
Wie du weist, halte ich mich lieber an die Bibel, versuche zu verstehen, was da steht, was Jesus sagt, was die Botschaft ist. Das Matthäus Evangelium gibt viel Denkstoff. Das Charakterbild, das Jesus von "diesem Geschlecht" zeichnet, ist nicht gerade schmeichelhaft, aber bis heute ein Spiegelbild für "dieses Geschlecht" (Mt 10-12). Jesus geht es um das Verhältnis zwischen Mensch und Gott und die Mittler zwischen Mensch und Gott. Wie er seinen eigenen Tod ankündigt, so kündigt er auch an, dass es ein Jüngstes Gericht geben wird, ob wir das hören wollen oder nicht. Das eine wollen wir glauben, da es sich offensichtlich bewahrheitet hat, das andere nicht? Den ersten Teil des Satzes glauben wir, den zweiten nicht?
Jesus schickt seine Jünger aus, um zu predigen, die Kranken gesund zu machen, die Toten aufzuwecken und die Teufel auszutreiben (Mt 10). Er hat ihnen Macht über die "unsauberen Geister" gegeben, so dass sie auch etwas bewirken können. Aber, hütet euch vor den Menschen, schickt er gleich hinter her, ich schicke euch als Schafe unter die Wölfe. Geht nicht zu den Heiden oder Samaritern, sondern zu den verlorenen Schafen aus dem Haus Israel. Prüft genau, ob das Haus, in das ihr geht, es wert ist, und nur dann wird euer Friede über dieses Haus kommen. Geht aus dem Haus, der Stadt, dem Land, wenn ihr nicht gewollt werdet. Dieser Stadt, diesem Haus, diesem Land wird es am Jüngsten Gericht schlimmer ergehen als Sodom und Gomorra. Hütet euch vor den Menschen, sie werden über euch richten und euch in ihren Schulen brandmarken, "um meinetwillen". Aber, sie werden sich mit ihrem Tun selbst entlarven. Wenn sie euch in einer Stadt verfolgen, flieht in die nächste. Ihr werdet auf der Flucht sein, bis der Menschen Sohn wieder kommt. Ihr werdet allein mit Israel nicht zu Ende kommen. Aber fürchtet euch nicht, nichts ist verborgen, alles wird offenbar werden.
Wer mich verleugnet vor den Menschen, den will ich auch verleugnen vor meinem himmlischen Vater. Wer nicht sein Kreuz auf sich nimmt und mir nachfolgt, der ist meiner nicht wert. Wer euch aufnimmt, der nimmt mich auf, und wer mich aufnimmt, der nimmt den auf, der mich gesandt hat (Mt 10, 33-40).
Einer ist in allem schon vorausgegangen: Johannes, der Täufer. Jesus hält den Menschen entgegen: Wieso seid ihr zu Johannes in die Wüste gekommen? Wolltet ihr jemanden sehen, der seine Fahne in den Wind hängt? Oder seine Macht herausfordern oder Prophetie? Ja, es ist der, von dem geschrieben steht, er soll deinen Weg vor dir bereiten, von dem ihr annehmt, es sei Elia. Und, was macht ihr trotzdem oder gerade deshalb mit ihm? Ihr werft ihn ins Gefängnis. Ihr werdet ihn sogar umbringen. Ihr ehrt ihn nicht als den Gott Gesandten, der er ist. Stattdessen maßt ihr euch wie dumme Kinder an, zu entscheiden, was nur des Himmels ist, zu entscheiden. Ihr wollt über ihn zu Gericht sitzen? Das Himmelreich und Gottes Heilige sollen nach eurer Pfeife tanzen, ihr biegt was geschrieben steht so hin, wie es euch passt. Nach eurer Lesart müsste sich die Weisheit des Vaters von den Kindern rechtfertigen lassen anstatt die Dummheit der Kinder sich vor dem Vater rechtfertigt. Wer Ohren hat zu hören, der höre (Mt 11, 1-19)
Jesus war so aufgebracht, dass er anfing, über die Städte, in denen er die meisten seiner Zeichen vergebens getan hatte, in Wehe-Rufe auszubrechen, denn sie hatten sich nicht gebessert, nicht gehört, was er ihnen predigte. Weh dir Chorazin, weh dir Bethsaida, weh dir Kapernaum: Es wird euch am Jüngsten Gericht schlimmer ergehen als Tyrus, Sidon und Sodom zusammen. Es wird eines Tages eine Abrechnung geben. Alle werden dies nicht begreifen. "Ich preise dich, Vater und HERR Himmels und der Erde, dass du solches den Weisen und Klugen verborgen hast und hast es den Unmündigen offenbart". Denn niemand kennt den Sohn außer der Vater und niemand kennt den Vater, außer der Sohn und der, dem es der Sohn offenbaren will. Nehmt auf euch mein Joch und lernt von mir (Mt 11, 25-29). Deshalb kommt her zu mir, ihr Unmündigen, ihr Beladenen, die ihr mich nicht belehren wollt, sondern die ihr euch von mir belehren lasst, ich werde euch entlasten, mit mir geht ihr leichter.
Alles ist in Jesu Hände gegeben. Und er warnt: Nehmt euch in Acht, was ihr redet. Alle Sünde und Lästerung wird den Menschen vergeben, auch die Lästerung gegen den Menschensohn, aber nicht die Lästerung gegen den Heiligen Geist. Das wird nicht vergeben, weder in dieser, noch in jener Welt. Die Menschen müssen Rechenschaft geben am Jüngsten Gericht "von einem jeglichen unnützen Wort", das sie geredet haben. Aus deinen Worten wirst du gerechtfertigt werden und aus deinen Worten wirst du verdammt werden (Mt 12, 1-37). Es sind die Worte, nicht die Taten und nicht die Werke, die am Ende entscheiden. Am Anfang war das Wort und am Ende steht das Wort auf der Waage, unseres und Gottes.
Die Schriftgelehrten und Pharisäer konnten das so nicht auf sich sitzen lassen -was maßt der sich an - und so forderten sie Zeichen, dass Jesus wirklich der ist, für den er sich ausgibt. Doch Jesus lässt sich nicht versuchen. Er weist das Ansinnen strikt zurück, mit Verweis auf die Zeichen des Propheten Jona. Dort steht alles schon geschrieben. Lest dort nach und glaubt es! Die Menschen von Ninive sind nach der Predigt Jonas umgekehrt und haben Buse getan, ihr tut es nicht und hier steht einer, der mehr ist als Jona. Am Jüngsten Gericht wird euch das vorgehalten werden, werdet ihr an die verpasste Chance erinnert (Mt 12, 38 ff).
Jesus erklärt auch, wieso er "diesem Geschlecht" keine Zeichen tut: Wenn der "unsaubere Geist" aus den Menschen ausgefahren ist, durchwandert der Mensch dürre Zeiten, sucht Ruhe und findet sie nicht. Er hat keine Durchhaltevermögen, durch diese dürren Zeiten hindurch zu gehen, geht den Weg des geringsten (inneren) Widerstands. Er verfällt wieder in die alten Laster, gibt seinem Ego nach und anderen Göttern, wird noch gottloser als er vorher schon war (Mt 12, 43-45). Deshalb werden "diesem Geschlecht" keine sichtbaren Zeichen gegeben. Sie würden in der Konsequenz nicht verstanden, wären eher kontraproduktiv. Lest und glaubt!
Lieber Luther, man könnte es auch so zusammenfassen: Du Menschengeschlecht, sei nicht so anmaßend, nicht so halsstarrig, lerne von Jesus, was das Himmelreich ausmacht, es steht nicht zu deiner Disposition. Ihr habt keine Macht darüber, es unterliegt nicht eurem Urteil, wie sehr ihr euch das auch einredet. Und wenn ihr euch das auch weg redet, der Tag wird kommen, nenn es Jüngstes Gericht, nenn es Rechtfertigung vor Gott, an dem das gottlose Leben auf Gottes Tapet erscheint wie Menetekel an der Wand. Alle Sünde und alle Lästerung – auch gegen Jesus – ist da schon vergeben, es spielt nicht die Rolle, die Mensch ihm zuspricht. Allein die Lästerung des Heiligen Geistes ist es, was wirklich am Ende zählt. Jesus hat das so benannt.
Den heiligen Geist zu respektieren, zu ehren, nicht mit Worten und Gedanken in den Schmutz zu ziehen, ist doch eigentlich nicht so schwer, lieber Luther. Dem Jüngsten Gericht kann man leichter entgegen gehen, als gemeinhin gedacht wird.  Es bedarf nur, dass wir in diesem einen Punkt achstam sind: im Umgang, in unserer Beziehung zum Heiligen Geist. Das müsste doch – möchte man denken – leistbar sein. Deshalb sagt Jesus: Mein Joch ist leicht. Aber auch: Mit sehenden Augen sehen sie nicht und mit hörenden Ohren hören sie nicht, denn sie verstehen es nicht, oh, dies Menschengeschlecht! (Mt 13, 13).
Herzliche Grüße
Deborrah

Freitag, 24. Januar 2014

Neuer Mensch

Ich will euch ein neues Herz und einen neuen Geist in euch geben. 
Hesekiel 36,26
Dein Wasser, das uns reinigt,
dein Wort, das die Felsen von unserem Herzen sprengt,
dein Geist, der unsere Seele erneuert,
lässt uns zu einem neuen Menschen werden.

Sonntag, 19. Januar 2014

Abendmahl

Lieber Luther,
ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll, dir zu schreiben, so viel bewegt mich. Ich habe ein neues Projekt angefangen. Ich will in einem Jahr die ganze Bibel lesen, nach einem festen Leseplan. Die Bibel soll mein geistlicher Begleiter auf der Reise durch das Jahr werden. Alle anderen geistlichen Begleiter sind mir irgendwie abhanden gekommen. So nehme ich den, der treu zu mir steht.
Ich kann dir nicht beschreiben, was das für ein Erlebnis ist. Du kennst das sicher. Wenn ich mein tägliches Bibelstudium beendet habe, bin ich so angefüllt, elektrisiert, aufgewühlt, dass ich kaum in den Schlaf finde. Am Liebsten würde ich alles in mich einsaugen, an meine inneren Wände kleben, so dass ich auch nicht ein Wort vergesse. Es wird nicht ausbleiben, dass ich dir von der ein oder anderen Entdeckung schreiben werde. Natürlich heißt das auch, dass ich auf anderes verzichten muss, meine Zeit umschichten muss. Wovon ich dir heute schreiben wollte, muss nochmals zurückstehen, da mich mein Dauerthema drängt, das Abendmahl, das für mich sehr wichtig ist. Notgedrungen muss ich eine Antwort für mich finden. Ich berichte dir das, auch wenn ich dein Stirnrunzeln schon vor Augen habe.
Du weißt, dass ich des Öfteren mal im Hader bin mit Kirche und ihren Vertretern. Es ist fast ein Jahr her, dass ich die Frage in den Raum gestellt habe, ob es zur Feier des Abendmahls organisierte Kirche braucht. Seither denke ich darüber nach.
Ich habe heute eine Antwort für mich gefunden. Nein, zwingend notwendig ist organisierte Kirche nicht, auch kein Pfarrer. Abendmahl ist zuallererst eine Angelegenheit zwischen mir und Jesus, zwischen mir und dem Heiligen Geist. Es ist ein transzendentes Geschehen, unabhängig vom Ort, nicht an kirchliche Personen gebunden, die den Segen der Kirche als Institution haben. Abendmahl kann dort stattfinden, wo der Heilige Geist, Jesus, anwesend ist. Umgekehrt muss er nicht bei jedem kirchlich gefeierten Abendmahl anwesend sein, er kann sich von dort auch abwenden, weggehen von Orten, an denen er einmal war, an denen nur noch Dürre und Scheinheiligkeit herrscht, da hilft aller Ritus nichts. Er kann einen auch bei der Hand nehmen und wegführen von solchen Orten. Zurück bleiben leere Kirchen. Dann ist Brot und Wein nichts als Brot und Wein. Form kann leer sein, auch wenn noch so viele Worte gemacht werden. Leere Worte, wenn Gottes Kraft dahinter fehlt.
Abendmahl kann man auch ohne Form feiern, Jesus jederzeit zu sich einladen. Er kommt, stellt sich mit dir in den Kreis, teilt mit dir Brot und Wein, segnet dich mit den Worten, die er für diesen feierlichen Augenblick vorgesehen hat, teilt mir dir sich selbst, seinen Leib und seinen Lebenssaft.
Nimm hin und iss,
das ist mein Leib,
dass er dich stärke,
dir Kraft verleihe von innen heraus,
lebensspendende Kraft.
Nimm hin und trinke,
auf unseren neuen Bund,
mit dem Saft, der aus meinem Weinberg kommt,
dass mein Wort in dich einfließe,
lebensspendender Geist.
Langsam vergrößert sich der Abendmahlskreis. Es gesellen sich diejenigen hinzu, für die ich bete, denen meine Fürbitte gilt. Welch ein Glück, mit ihnen hier zu stehen. Welch ein Glück, dieser Augenblick, auch für sie. Unsichtbar kommen mehr und mehr Menschen dazu, ein großer Kreis von Menschen, deren Gesicht ich nicht kenne. Wir reichen uns die Hände. Friede sei mit euch, sagt Jesus.
Friede sei mit dir.
Herzliche Grüße
Deborrah

Samstag, 11. Januar 2014

Rebekka

Lieber Luther,
lang hat es gedauert, bis ich zu meiner ganz persönlichen Jahreslosung 2014 gefunden habe. Die Jahreslosung 2013 lass ich hinter mir, sie hat mir genug Sturm gebracht und Wasser schlucken lassen. Eigentlich steht die Losung schon länger im Raum, es hat mir nur nicht gedämmert, was mir da ins Haus steht:
Haltet mich nicht auf, denn Gott hat Gnade zu meiner Reise gegeben (1.Mose 24,56)
Ich habe diesen Spruch an das Ende meines Nachrufs auf meinen Vater gesetzt. Der Predigttext dieser Trauerfeier beinhaltete – zu meiner Überraschung - meinenKonfirmationsspruch. Lebensreisen, die sich kreuzen. Grund genug, achtsam zu sein.
Der Schlusspunkt unter den Nachruf auf das Leben meines Vaters, ist eigentlich ein Ausgangspunkt, ein Anfang, der Anfang einer Reise, für ihn und für mich.
Abraham sendet Elieser, seinen ältesten Diener und Verwalter, auf die etwa 650 km lange Reise, um bei seiner Verwandtschaft um eine Frau für seinen Sohn Isaak zu werben. Der Bote weiß nicht, wer es sein soll und wie er die Frau finden soll. So bittet Elieser, der auf Gott vertraut, Gott um ein Zeichen: Diejenige, die auf seine Bitte hin, ihm am Brunnen zu trinken geben wird und auch noch unaufgefordert die Kamele tränkt, die soll es sein. Lass es geschehen und erweise deine Gnade, betet Elieser. Er trifft Rebekka am Brunnen und es geschieht, worum er gebeten hat.
Die Brüder und die Mutter zögern, wissen nicht so recht, ob das für Rebekka das Richtige ist. Rebekka zögert nicht, will einen Schlussstrich, einen neuen Anfang: Ich will gehen, gleich. Sie geht in eine ungewisse Zukunft, sie weiß nicht wirklich, auf was sie sich einlässt. Aber, tief in ihrer Seele weiß sie, dass es richtig ist, was sie tut. Deshalb duldet sie auch keinen Aufschub: Haltet mich nicht auf. Sie weiß, was sie weiß und was sie will. (1.Mose 24)
Rebekka, die Energische, Rebekka, die Zupackende, Rebekka, die Kraftvolle. Sie weiß nicht, dass sie einem entgegen geht, der schon gebrochen ist. Dass sie das Korsett, das Rückgrat, die Energie ist, die er braucht, um weiter zu gehen. Sie weiß noch nicht, dass sie 20 Jahre warten muss, bis sie Kinder bekommt. Sie weiß noch nicht, dass ihr Mann früh erblindet, noch nichts von ihrem Betrug an ihrem Ehemann, noch nichts von ihren Enkeln, die ein Massaker anrichten, weil sie denken, ihre Schwester sei vergewaltigt worden. Vielleicht hätte sie, wenn sie gewusst hätte, was denn so alles noch kommt, doch gezögert. Deshalb ist es gut, wenn wir nicht wissen, was kommt. Es lässt uns weiter gehen, wenn wir es für richtig in uns fühlen, unbelastet der Last und des Leids, das da kommen mag.
Rebekka geht nicht alleine. Mit ihr ging Debora, ihre Amme. Die Frau, die sie gesäugt hatte, die sie mit der Muttermilch aufgesogen hatte, der Mutterersatz. Debora war immer für sie da, Debora gab Rat, Debora verhütete, was zu verhüten war. Sie verhütete nicht, dass Rebekka Jakob dazu anleitete, sich vor seinem Vater Isaak als Erstgeborenen auszugeben, wo es doch sein Zwillingsbruder Esau war. Das ist der Fingerzeig, den Gott gibt. Nicht was irdisches Recht ist, zählt, sondern was Gottes Wille ist. Esau und Jakob wuchsen beide im Mutterleib, parallel, gleichberechtigt. Die Gesetze der Gesellschaft haben sie zu Ungleichberechtigten gemacht. Gott hat eingegriffen und ein Zeichen gesetzt: Eure Gesetze sind null und nichtig, allein meine Gesetze zählen. Nach meinem Gesetz ist Jakob der Erstgeborene. Aber, ich will die List und Tücke nicht dulden, die ihm dieses irdische Recht verschafft hat, so muss er Buse tun, viele Jahrzehnte, um sein Unrecht an seinem Vater zu tilgen. Rebekka sieht ihren Lieblingssohn nach dessen Flucht nie wieder.
Das alles änderte nichts daran, dass Gott Jakob eine besondere Erwählung gab. Das Unrecht, das Rebekka getan hat, an ihrem Mann und an ihren Söhnen, nach geltendem Recht, in ihrer Gesellschaft, ändert nichts daran, dass sie trotzdem mit Gottes Segen in Gottes Willen handelte. Gott hat Gnade zu der Reise gegeben. Was scheinbar Unrecht ist, kann vor Gott Recht sein. Rebekka wandelte in all dem Zwiespalt zwischen Recht und Unrecht dennoch sicher. Debora war ihr Korrektiv. Debora nahm sie in den Arm und weinte mit ihr, wenn es kein Weiter zu geben schien, Debora tröste, Debora fand die Worte, die Rebekka weiter gehen ließen. Debora war die Frau im Hintergrund, die nur zwei Mal erwähnt ist. Am Ausgangspunkt, wenn sich Rebekka auf die Reise einlässt, und am Endpunkt, wenn Debora begraben wird an an der Träneneiche, an der Klageeiche. Immer im Hintergrund, kaum einer Erwähnung wert, aber dennoch immer im Vordergrund. Sie starb in Bethel, dem Ort, an den Gott Jakob geschickt hatte, um einen Altar für ihn zu errichten. Mit Debora verschwindet auch Rebekka aus dem Gesichtsfeld. Am Ende hatte sie alles verloren, was ihr lieb und teuer war. Und doch: Gott hat Gnade zu der Reise gegeben.
Lieber Luther, haltet mich nicht auf, Gott hat Gnade zu dieser Reise gegeben. Für mich ist es meine persönliche Jahreslosung 2014. Wohin ich aufbreche in dieses neue Jahr, weiß ich nicht. Halten wir es mit Elieser und bitten um Gnade für diese Reise.
Herzliche Grüße
Deborrah

Montag, 6. Januar 2014

Weckruf

Lieber Luther,
manchmal trifft einen etwas tief. Das ist mir mit der Tageslosung vom letzten Samstagpassiert:
Er war so verachtet, dass man das Angesicht vor ihm verbarg; darum haben wir ihn für nichts geachtet.
Jesaja 53,3
Ich bin immer noch über sie erschüttert. Das Entsetzen über uns selbst, unsere Mitleidlosigkeit, das Mitleid mit dem Gepeinigten hat mich erfasst. Wie konnten wir nur, wie können wir nur, wieso immer wieder?
Die Bibelstelle steht im Zusammenhang mit den Gottesknecht-Liedern bei Jesaja.
Umsonst habe ich mich abgemüht, sagt der Gottesknecht, vergeblich und für nichts meine Kraft verbraucht, aber mein Recht ist beim Herrn und mein Lohn bei Gott (Jes 49, 4). Wer in Finsternis lebt und wem kein Lichtglanz (scheint), vertraue auf den Namen des Herrn und stütze sich auf seinen Gott (Jes 50, 10).
Wach auf, wach auf. Ich bin es, der euch tröstet. Wer bist du, dass du dich vor dem Menschen fürchtest, dass du den Herrn vergisst, dass du dich den ganzen Tag vor dem Bedränger fürchtest, wenn er zielt, um dich zu vernichten. Ich habe meine Worte in deinen Mund gelegt und dich bedeckt mit dem Schatten meiner Hand, um den Himmel aufzuschlagen und die Grundmauern der Erde zu legen und zu Zion zu sagen: Mein Volk bist du (Jes 50, 9-16). Siehe ich nehme aus deiner Hand den Taumelbecher, den Kelch, den Becher des Zorns; du wirst ihn nicht mehr länger trinken. Ich gebe ihn in die Hand deiner Peiniger, die zu deiner Seele sagten: Bück dich, dass wir hinüberschreiten! (Jes. 51, 23).
Wach auf, wach auf. Schüttle den Staub von dir ab, mach dich los von den Fesseln, die um deinen Hals liegen. Umsonst seid ihr verkauft worden und nicht für Geld sollt ihr gelöst werden. (Jes 52, 3), sondern durch den wahren Knecht Gottes (Jes 52-53):
Viele haben sich über ihn entsetzt, so entstellt war sein Aussehen. An wem ist der Arm Gottes offenbar geworden? Er ist wie ein Trieb vor ihm aufgeschossen, wie ein Wurzelspross auf dürrem Erdreich. Er hatte keine Gestalt und keine Pracht, sondern ein Aussehen, an dem wir kein Gefallen finden konnten und können. Er war verachtet, von den Menschen verlassen, ein Mensch, der Schmerz, Leid, Kummer und Krankheit wohl kennt, jemand, bei dem man wegsieht, sein Gesicht verbirgt, ihn nicht ansehen will, auf die andere Straßenseite geht, wenn er daherkommt. Er war verachtet, wir haben ihn nicht geachtet. Jesus, unser Löser. Jesus jenseits aller Schönfärberei.
Er hat unsere Krankheiten getragen, unsere Schmerzen auf sich geladen. Wir hielten und halten ihn für Gott bestraft, aber wir waren es, die ihn züchtigten und an dem sich unsere ganze Bösartigkeit ausgelassen hat. Er hat es stumm geduldet, hingenommen, um uns zu zeigen, dass Gott mit uns Frieden will, auch wenn wir viel Unrecht auf uns laden. Seine Striemen, sie zu dulden und fortgesetzt zu erdulden, sind unsere Heilung, unsere Verzeihung. Verzeihung von unserem Hass und unseren Ungerechtigkeiten, von unserem einander krank machenden Handeln, von unserem Selbstmitleid.
Weil er, seine Seele, diese – unsere - Mühsal auf sich genommen hat, wird diese Er-Duldsamkeit das Leben seiner Seele über den Tod hinaus verlängern und viel Frucht tragen. Durch sein Wissen, seine Erkenntnis, seine Demut, sein Für-uns-durch-uns-hindurch-gehen, wird er vielen zur Gerechtigkeit verhelfen, indem er voran geht.
Wach auf, wach auf. Sein erkennendes, vorausschauendes Handeln soll uns als Richtschnur und Maßstab dienen. Er hat Mensch-Sein, Mensch-Aushalten getragen, Gottes Schöpfung, wie sie sich neben Gott gestellt hat, anstatt unter ihn, ertragen mit allen – auch für Gott – bitteren Konsequenzen. Mensch, ist die Botschaft, folge mir nach und halte das Mensch-Sein aus, so wie du es lebst, in Krankheit, in Schmerzen, in Kummer, in Leid. Tu es mit Demut, ertrage, wie ich ertragen habe. Wacht auf aus eurem Selbstmitleid und folgt mir nach. All das hat schon Jesaja gesehen.
Wieso also, lieber Luther, hat mich dieser Losungssatz so getroffen? Es war ein Weckruf. Wach auf. Er war so verachtet, dass man sein Gesicht von ihm wegdrehte. Wer nicht hinschaut, sieht nicht, was er sehen sollte. Wegschauen heißt, das Herz verschließen, der Angst vor dem Hinschauen und den Konsequenzen ausweichen. Lieber Luther, ich glaube, ich bin zutiefst am Mensch-Sein erschrocken, am Hinschauen, und der Schmerz darüber, über die Natur des Menschen, ist durch mich hindurch gegangen. Manchmal – gott-sei-dank nicht so oft – fließt der Schmerz der Welt durch mich hindurch und hinterlässt eine unendlich tiefe Spur der Trauer.
Aber, lieber Luther, Jesaja sollte mich aufwecken, aufschrecken: Wach auf, wach auf, ich bin es, der euch tröstet. Steh auf von deiner Ruhebank, nimm deinen Wanderstab und geh weiter. Der Satz wirkt wie ein Energie gebendes Wundermittel.
Herzliche Grüße
Deborrah

Sonntag, 5. Januar 2014

Brechen

Lieber Luther,
das alte Jahr ist zu Ende, das neue beginnt, mit erbrechen, einbrechen, zusammenbrechen, durchbrechen und aufbrechen. Neujahr ist gewöhnlich der Tag des Rückblicks und des Ausblicks. So kann Ausblick auch Rückblick sein oder umgekehrt.
Erinnerst du dich? Lot wollte nicht in das bergige Hügelland, es grauste ihm davor. Die Engel mussten ihn aus der Stadt zerren. So gewährte Gott ihm eine Zwischenstation in einer kleinen Stadt. Das gewährte auf Zeit. Dann musste er doch in die karge Einöde. Es kam dort so, wie er schon befürchtet hat, deshalb wollte er nicht hin. Gott kannte aber kein Pardon. Und das Salz der Frau Lot brannte wie eine Wunde, in die Salz gestreut wird.
Und Frau Lot? Frau Lot – unverbesserlich – schaute sich nochmals um. Obwohl sie eine Ahnung hatte, dass sie das nicht tun sollte. Sprichwörter sind meistens sehr wahr: Wer nicht hören will, muss fühlen, Frau Lot. Wenn zuviel Haut verbrennt, stirbt man.
Wäre es in beiden Fällen nicht besser gewesen, in der Stadt unterzugehen? Sie hätten sich viel erspart.
"Gott nahe zu sein ist mein Glück." (Psalm 73, 28), lautet die Jahreslosung 2014. Die Bibel ist dehnbar, wenn es der Zeitgeist verlangt. Das hat aber mit Bibel nicht mehr viel zu tun, mehr mit Kochrezepten a la "Wie werde ich glücklich". Das lässt sich besser verkaufen als deine Übersetzung:
Aber das ist meine Freude, dass ich mich zu Gott halte und meine Zuversicht setze auf den Herrn Herrn, dass ich verkündige all dein Tun.
In der Elberfelder Übersetzung geht es noch reduzierter zu, mit Vers 27:
Du bringst zum Schweigen jeden, der dir die Treue bricht. Ich aber: Gott zu nahen ist mir gut. Ich habe meine Zuversicht auf den Herrn, HERRN, gesetzt, zu erzählen alle deine Taten.
So lass uns aufbrechen in das neue Jahr. O Jesus, meine Zuversicht. Er wird uns den Weg zeigen. Ein gesegnetes Jahr 2014!
Herzliche Grüße
Deborrah