Lieber Luther

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Samstag, 21. Dezember 2013

Noah - ewiger Bund

Lieber Luther,
mit manchen Themen kann man sich lange beschäftigen. Wenn es um herausragende Gestalten der Bibel geht sowieso.
Noah ist so eine Gestalt. Ist es die Sintflut, die Arche oder Noah oder das ganze Paket? Oder die Geschichte danach, nach dem großen Regen und dem Sturm? Der menschliche Sturm danach? Seine Entblößung (1.Mose 9, 18ff)? Die Auf und Abs des Lebens. Noah, der uns sagt, auch der Gerechteste strauchelt, Mensch kommt vom Sturm in den Regen, vielleicht in die Sintflut, wird hinweggeschwemmt, wartet auf besseres Wetter, findet sich wieder auf festem Boden, wird Weingärtner im Acker Gottes, um dann wieder über sich selbst zu stolpern.
Gott rettet Noah, ganz so wie später Lot. Beide stolpern dann über sich selbst und ihre Nachkommen. Beide Geschichten erzählen die gleiche (Menschheits-)Geschichte: Seht, auch die Gerechtesten, auch diejenigen, die Gott leitet und geleitet, rettet, versinken trotzdem noch im menschlichen Sumpf. Und, das ist die tröstliche Botschaft, einen nur Gerechten gibt es in Gottes Schöpfung nicht – Gott selbst, als Mensch in Jesus mal abgesehen. Das Leben ist für alle gleichermaßen wechselhaft wie das Wetter. Gott weiß das, kennt das Wesen des Menschen. Deshalb hat er mit Noah für die Menschheit einen Bund geschmiedet, hat Noah geschworen, dass er den Menschen nicht noch einmal vernichten will, wie bei der Sintflut. Gott will mit den Menschen sein, auch wenn sie fehlen (1. Mose 9). Seid fruchtbar und mehret euch. Die Noahgeschichte ist insofern eine 3. Schöpfungsgeschichte.
Gott schließt einen ewigen Bund mit seiner Schöpfung. Er anerkennt den Menschen damit auch als frei handelnde Wesen, die auch getrennt von ihm sein können, eigene Wege gehen – auch, wenn es nicht seine Wege sind, die sie gehen, seine Gebote nicht achten. Gott ist sozusagen entidealisiert, er ist auf dem Boden der Menschheit angekommen, hat seinen göttlichen Anspruch an seine Schöpfung zurückgeschraubt auf ein menschliches Maß. Insofern ist es auch eine Weihnachtsgeschichte: Gott hat uns bereits mit diesem Bund, den er mit Noah stellvertretend geschlossen hat, ewige Verzeihung, ewige Treue versprochen:
… und soll hinfort keine Sintflut mehr kommen, die die Erde verderbe. Und Gott sprach: Das ist das Zeichen des Bundes, den ich gemacht habe zwischen mir und euch und allen lebendigen Seelen bei euch hinfort ewiglich. (1.Mose 9, 11-12).
Gott schließt diesen ewigen Bund nicht individualisiert, sondern mit der Menschheit als Ganzes. Deshalb hat er den Regenbogen an den Himmel gesetzt: dass er selbst ihn sehe und er sich an diesen Bund erinnere, damit sein Zorn über die Verfehlungen und die Gottlosigkeit der Menschen ihn nicht dazu verführe, noch einmal ein vernichtendes Urteil über die Menschen zu sprechen. Gott bleibt beim wetterwendischen Menschen, vernichtet hinfort nicht die Menschheit als Ganzes, sondern schaut genau hin, schaut auf den Einzelnen, spricht aus dem Wetter mit ihm, wendet sich jedem Einzelnen zu.
Die Noah- und die Lotgeschichte sagen, wenn ihr auf meine Stimme hört, werdet ihr gerettet, bringe ich euch aus dem Verderben aufs trockene Land, ermögliche ich euch, dass ihr euch rettet. Der Mensch ist dem Leben wie Wind und Wetter ausgesetzt, der Familie, dem sozialen Umfeld, den politisch und wirtschaftlich Mächtigen, den Naturgewalten. Er ist deshalb immer in Gefahr, dass die Atmosphäre zwischen den Menschen sich so auflädt, dass sie sich in einem Blitz, der auch vernichten kann, entlädt. Es ist aber immer eine begrenzte Vernichtung, eine Angelegenheit zwischen den Menschen. Mensch kann etwas tun, um es nicht soweit kommen zu lassen. In dieser Gefahr und in der Möglichkeit der Gefahrenabwehr sind sich alle Menschen gleich. Das ist Teil dieses Bundes, den Gott hier mit den Menschen schließt, ist Teil von Gottes Gerechtigkeit. Gott nimmt sich zurück, will sich nicht mehr seinem Zorn hingeben, sagt: Ich vernichte euch nicht mehr, ihr könnt euch nur noch selbst vernichten, wie ihr euch auch nur selbst retten könnt. Gott lässt dem Menschen den Vortritt, nimmt dem Menschen gegenüber eine demütige Haltung an. In Jesus wird das sichtbar und in ihm fordert er uns zur Nachfolge auf.
Welcher Gestalt dieser Bund ist, erschließt sich im unmittelbar Folgenden. Anstatt in Dankbarkeit über ihre Rettung in Frieden zu leben, verflucht Noah seinen jüngsten Sohn Ham (1.Mose 9, 18ff). Noah ist Gott nachgefolgt, hat wider alle Vernunft die Arche gebaut, Familie und Tier dort versammelt, den Frieden in der Arche bewahrt, so dass die dort Versammelten in der Enge und Eingeschlossenheit miteinander auskommen und ausharren konnten. Er war danach fleißig, hat einen Weinberg gepflanzt, ist Gottes Weingärtner geworden. Dann hat er sich aber berauscht, der klare Verstand ist ihm abhanden gekommen, seine Rechtschaffenheit. Er hat sich in einer Weise entblößt, dass es auch für sein Umfeld gewahr wurde. Damit nicht genug, er hat sich dann auch noch ungerecht gegenüber seinem jüngsten Sohn Ham verhalten, als dieser den Brüdern von der Verfehlung des Vaters erzählte. Noah führt uns vor Augen, dass ein vor Gott Gerechter in menschlichen Dingen fehlen und ungerecht sein kann und trotzdem Gott bei ihm bleibt, sofern er bei Gott bleibt.
Man kann die Dinge auch von einem anderen Blickwinkel betrachten. Ham hätte auch über die Verfehlung des Vaters hinwegschweigen können. Du sollst Vater und Mutter ehren. Gottes Gebot. Insofern könnte man Hams Mitteilungsbedürfnis auch als mangelnden Respekt vor dem Vater, dem Familienoberhaupt, ansehen. Heißt das, man soll als Kind über alles hinweg sehen und verschweigen, alles decken, egal was? Und wenn nicht, der jüngste Sohn Noahs sei euch ein warnendes Beispiel?
Nein, das heißt es sicher nicht. Es heißt, es ist genug, wenn sich einer selbst bloß stellt. Es ist verwerflich, einen derart Entblößten und Gedemütigten noch weiter bloß zu stellen. Er hat sich mit seiner Maßlosigkeit schon selbst herabgewürdigt, würdige ihn nicht noch weiter herab. Jeder Würdelose hat noch eine Würde, die es zu schützen gilt. Decke seine Blöße zu und verhelfe ihm wieder zur Würde. Respektiere seine Würde, ansonsten verlierst auch du deine Würde.
Lieber Luther, Gott schenkt uns durch Noah einen Bund, einen ewigen Bund, einen Bund, der unabhängig von menschlicher Fehlbarkeit ist. Eine Zusage auf Ewigkeit, die uns entlastet, auch wenn wir fehlen. Aber er sagt auch, entwürdige nicht, würdige deinen Nächsten, achte ihn, wenn du ihn nicht achtest, achte ich dich auch nicht.
Immer wieder sagt uns das Gott und, lieber Luther, immer wieder fehlen wir darin. Das ist der Anfang von menschlichen Ungewittern, die auch zerstörerische Ausmaße annehmen können. Das ist der Kern von Gottes Wort. Um es in die Welt zu bringen, um diesen Bund, den er mit Noah geschlossen hat, mit uns zu erneuern, darum ist er in Jesus selbst auf die Welt gekommen. Um ihm und dieser Botschaft Gehör zu verschaffen, feiern wir Weihnachten. Jedes Jahr aufs Neue. Wenn nur einer dies versteht, haben sich die vollen leeren Weihnachtsgottesdienste gelohnt. Deshalb sei unverzagt.
Herzliche Grüße
Deborrah

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