Lieber Luther

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Sonntag, 29. Juni 2014

Richter Simson

Lieber Luther,
der Mensch fehlt, solange er lebt. Deshalb haben soziale Gemeinschaften seit jeher nur existieren können, wenn in dieser sozialen Gemeinschaft oder Gesellschaftsordnung jemand die Autorität hatte, Recht zu sprechen. Ohne Rechtsprechung herrscht in einer Gesellschaft Mord und Totschlag, Anarchie. Keiner kann in Sicherheit wohnen und leben.
In Gottes Ordnung ist es genauso. Auch in seiner Beziehung zu Gott fehlt der Mensch, tut Unrecht, vergeht sich gegen die Ordnung, die Gott gesetzt hat, gegen sein gesetztes Recht.
Dass wir von Menschen gesetztes Recht befolgen, scheint in den Gesellschaftsordnungen heute selbstverständlich. Dass wir von Gott gesetztes Recht befolgen, weniger. Das betrachten wir als von Gott anmaßend und nicht zeitgemäß. Fragt sich nur, wer anmaßend ist, Gott oder seine Kreatur? Wenn wir Gott als höhere Autorität anerkennen, die größer, weiser, herrlicher, mächtiger als wir sind, ihn als die Liebe bezeichnen, wieso sperren wir uns eigentlich so dagegen? Ist das nicht eher egomaner Trotz?
Als Mose anfing, Gottes Volk zu sammeln und in sein gelobtes Land zu führen, war es ziemlich schnell klar, dass es ohne Richter nicht geht, da die Menschheit eben nicht nur lieb miteinander umgeht. Der Anspruch an Richter, die vor Gott bestehen wollen, ist hoch. Sie sollen mit rechtem Gericht richten, sich nicht bestechen lassen, sondern gerecht sein, damit leben miteinander möglich ist (5.Mose 16, 18-20). Nur hehre und falsch verstandene Liebe zu postulieren, reicht für das menschliche Zusammenleben nicht aus. Das haben die Menschen schon vor 3500 Jahren begriffen, inzwischen allerdings anscheinend wieder vergessen, obwohl der Alltag eine andere Sprache spricht. Bei von Gott eingesetzten Richtern geht es nicht um menschliche Streitereien, die geschlichtet werden müssen, es geht um Höheres, um das, was im Willen Gottes und vor ihm gerecht ist. Ein Richter, so wie es die Bibel meint, ist ein Richter, der göttlich geleitet ist und erkennt, was gerecht und wahr ist.
Wenn Gott Richter erweckte, so war er mit den Richtern, schickte ihnen göttliche Eingebungen und verhalf seinem Volk durch die Richter aus ihren Verstrickungen und Feindschaften. Aus Liebe zu den Menschen, die zu seinem Volk zählen: Es jammerte ihn ihr Wehklagen (Richter 2, 18).
Ein Richter, den Gott erweckte, war Simson (Richter 13-16). Seine Mutter war unfruchtbar. Es erschien ihr ein Engel, der seine Geburt ankündigte: Denn du wirst schwanger werden und einen Sohn gebären, dem kein Schermesser aufs Haupt kommen soll. Denn der Knabe wird ein Geweihter Gottes sein vom Mutterleibe an; und er wird anfangen, Israel zu erlösen aus der Hand seiner Feinde (Richter 13, 5).
Es kommt zunächst so, wie vom Engel vorhergesagt: Simson wird ein Held mit Kräften, die ihn all seine Feinde überwinden lassen. Aber nur, solange kein Schermesser auf sein Haupt kommt, wie der Engel sagte, solange er Gott geweiht ist. Gottes Heilige sollen ihr Haar frei wachsen lassen, vom Scheitel an rein sein vor Gott. Der Engel wollte damit sagen, er soll sich nicht verunreinigen mit Dingen, die gottlos sind (4.Mose 6, 1-5). Er soll die Gnade, die er von Gott verliehen bekommen hat, nicht abschneiden, sich nicht von dem ihn umwallenden Segen entfernen, nichts, was Gott ihm hat zuwachsen lassen, gewaltsam von ihm trennen. Das ungeschnittene Haar als Zeichen der unmanipulierten Natürlichkeit in Gott. Das ungestört wachsende Haar als Zeichen des ungestörten Wachsens hin zu Gott.
Simson hat sich schließlich selbst von Gott abgeschnitten, Gottes Gnade einer Frau geopfert. Er hat seine göttliche Natur den Bedrängungen der menschlichen Natur unterstellt. Gottes Gnade war ihm nicht mehr heilig. Er hat der schönen Verführung nachgegeben und war fortan in der Hölle. Wie er seine Reinheit vor Gott verraten hat, so hat die Frau ihn in der Folge auch verraten. Mensch wie er leibt und lebt. Er ist sehenden Auges und doch blind in sein Verhängnis gestolpert. Anstatt den Feinden Gottes, jagte er seinem Vergnügen nach. Seine ganze Mission der Lust untergeordnet. Er gab seinem Trieb nach und war fortan ein Getriebener. Alles menschlich verbockt.
So wie er blind gegenüber seiner Mission war, war Gott fortan auch blind ihm gegenüber. Simson wurde vom Gottgeweihten zum von Menschen Gejagten, geblendet, gefangen, sein Leben eine bittere Konsequenz seines Tuns, seines Abweichens vom guten Weg. Die Feinde triumphierten über ihn und seine Hilflosigkeit und dankten ihren Göttern dafür.
Lieber Luther, wenn die Geschichte hier enden würde, bräuchte sie nicht in der Bibel stehen. Was ist die Botschaft? Gott lässt keine fremden Götter über sich triumphieren! Auch nicht in diesem Fall. In all seinem selbstverschuldeten Elend betete Simson: HERR, gedenke meiner und stärke mich doch diesmal, dass ich mich für meine beiden Augen räche. Und Gott hörte ihn. Er verlieh Simson ein letztes Mal göttliche Kraft, um den Tempel mit den Götzenbildern einstürzen zu lassen. Gott hat keine Abgötter über sich triumphieren lassen.
Lieber Luther, die Geschichte von Simson ist keine Liebesgeschichte unter Menschen, ganz im Gegenteil. Selbstverliebtheit und Schmeichelei hat Simson von seiner Liebe zu Gott abfallen lassen. Die Liebe, von der die Bibel erzählt, ist keine triebgesteuerte Liebe. Diese Art Liebe als Triebfeder bringt die Menschen zu Fall und führt sie auf Irrwege. Es ist keine Liebe, es ist Eigenliebe. Diese Art Liebe hat Jesus nicht gemeint mit seinem Gebot von der Nächstenliebe. Das wird fatalerweise oft so gedacht. Auch Gottes Heilige können über ihre Geilheit stolpern, auch wenn sie ein Amt innehaben, das von Gott eingesetzt ist. An Simson ist es gezeigt und ein warnendes Beispiel gegeben. Allein deshalb steht es in der Bibel. Umsonst, wie aktuelle Beispiele zeigen.
Trotz alledem ist Gott treu. Obwohl Simson, sein Heiliger, sein von ihm eingesetzter Richter, sich ganz unheilig verhalten hat, den Bund mit ihm gebrochen hat, weil er sich vom Verführer hat einlullen und täuschen lassen, bleibt Gott ihm am Ende treu und erhört sein Flehen aus tiefster Not. Gott kennt ihn beim Namen und vergisst ihn nicht – auch wenn er sein Recht gebrochen hat, auch wenn er am Ende an ihn, seinen gefallenen Heiligen, einen höheren Maßstab anlegt. Lieber Luther, das gibt Trost und Hoffnung für uns alle, denn wir alle brechen im Laufe unseres Lebens auf die ein oder andere Weise Gottes Recht. Es fehlt der Mensch, solange er lebt. Das weiß keiner so genau wie Gott.
Herzliche Grüße
Deborrah

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