Lieber Luther,
es ist, glaube ich, wieder an der Zeit, dass ich dir schreibe, obwohl es mich, wie ich gestehen muss, Disziplin kostet. Der Himmel ist dunkel, der Sturm wütet und zehrt an meiner Kraft.
Heute ist Trinitatis, ein weiteres Hochfest, so kurz nach Pfingsten. Wieso ist es ein Hochfest? In der Volksseele ist das kein Fest, das dort verwurzelt ist. Wieso ist es dort nicht angelangt?
Das Konstrukt "Trinitatis", der Heiligen Dreifaltigkeit, hat dogmatischen Ursprung, ist nachbiblisch, ist eine Lehre: seht so wirkt Gott in seiner Vielfalt – vereinfacht auf Dreifalt, der menschlichen Einfalt angepasst. Es hat keinen direkten Ursprung in der Bibel, ist mehr eine Zusammenfassung, ein Bekenntnis:
Ich glaube an Gott, den Vater
Ich glaube an Gott, den Sohn,
Ich glaube an Gott, den Heiligen Geist.
Ich glaube an Gott, den Sohn,
Ich glaube an Gott, den Heiligen Geist.
In diese Dreiheit sind wir getauft, im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Ausgehend aus Gott, verweslicht, vermenschlicht, geschöpft aus Gott in seiner Schöpfung, in allem was lebt. Vermenschlichter Gott in Jesus Christus, Gott in seiner Schöpfung und als Teil seiner Schöpfung. Gott mit seiner widerspenstigen Schöpfung. Der Heilige Geist geschickt zur ungreifbar unbegreiflichen Hinleitung seiner Schöpfung zu ihm zurück, zum Schutz seiner Schöpfung, des Menschen, vor sich selbst, des Schutzes Gottes in seinem Ebenbild, wen man so will.
Kirche spricht von "drei Personen". Für Menschen ist Gott vermenschlicht als "Person" – ein Dogma, ein Versuch, das Göttliche zu fassen, was letzten Endes immer Scheitern muss. Dreifaltigkeit meint das A&O, den Ausgang vom göttlichen Ursprung und die Rückkehr dahin zurück. Das göttliche Sein und Wirken in seiner vielfältigen Unbenennbarkeit, das wir, um überhaupt darüber kommunizieren zu können, mit "Vater, Sohn und Heiliger Geist" benannt haben. Gott hat bei uns diese Namen. Gott hat uns diese Namen auf die Stirn und in die Seele gebrannt. Trinitatis ist so gesehen nichts anderes als ein Name für das göttliche Wirken.
Jesus versucht Nikodemus das Göttliche zu erklären. Nikodemus, ein Pharisäer, ein vor dem Gesetz Gott-Gebildeter in menschlichem Unverstand, versteht es nicht, weil er mit dem Verstand zu erfassen sucht, was jenseits menschlichen Verstandes und Verständnisses liegt. Seine menschlich verhafteten Denkmuster versperren ihm den Blick.
Jesus sieht das und versucht es Nikodemus mit einem menschlich verständlichen Bild klarzumachen: Der Wind bläst, wo er will (Joh 3, 8) . Du hörst sein Sausen wohl; aber du weißt nicht, wo er anfängt und wo er endet, wann und wo der Geburtsaugenblick eines Tornados ist und wann er sein Leben wieder aushaucht, aus welcher Richtung er kommt und in welche er geht, ob es ein Lüftchen ist oder sich zu einem Sturm auswächst, ob er hinwegfegt oder nur an einem zerrt, ob er eine Schneise der Verwüstung hinterlässt oder nur ein paar Dächer abdeckt. Der Sturm säuselt, braust, wütet wie er will, nicht wie ich will. Er wirkt und bewirkt an mir ohne mein Zutun.
Und dann der Zusatz: Also ist jeglicher, der aus dem Geist geboren ist (Joh 3, 8). Wow! Was heißt das? Ein Also, ein Ist, das es in sich hat. Wir als Wind, Teil des Windes und des Säuselns, mit Anfang und Ende im Unfassbaren, nur in der kurzen Wegstrecke der menschlichen körperlichen Existenz körperlich greifbar. Wenn der Wind auf Widerstand trifft. Wir sind menschlicher Sturm und Teil des göttlichen Windes oder Sturmes. Wir sind diejenigen, die Sturm säen und Sturm ernten. Wir sind diejenigen, die nicht wissen, ob Frucht bringt, was wir gesät haben, oder der Sturm die Ernte verhagelt. Wir sind diejenigen, die ein Lüftchen im Ganzen des göttlichen Windes sind. Wir wissen nicht, ob der göttliche Sturm die aufgegangenen Pflänzchen hinwegfegt oder das Säuseln des Windes sie reifen lässt und sie am Ende Frucht bringen.
Mensch, ein Wind, dessen Stärke und Richtung nicht wirklich zu fassen ist und damit auch hier Gott ebenbildlich. Ob Wind oder Sturm, entscheidet sich in der göttlichen Großwetterlage. Also wird mit einem Sturm verworfen die große Stadt Babylon und nicht mehr gefunden werden (Offenb 18, 21). Oder er vernichtet, wie in Sodom. Das Säuseln des Windes vernimmt nur derjenige, der aus dem Geist geboren ist. Der tödliche Sturm in Babylon und Sodom, der die Tauben trifft, ist genauso Realität.
Wetterfühlige unter uns fühlen, wenn ein Sturm kommt. Er sitzt einem schon vorher in den Knochen, lässt den Kopf bersten, man spürt förmlich, dass etwas in der Luft liegt. Jedoch, man kann den Wind buchstäblich nicht fassen, nicht anfassen, nicht seiner habhaft werden. Nicht jeder ist wetterfühlig, nicht jeder setzt sich dem Wind aus. Wenn du im Wind oder gar im Sturm stehst, ist es der Sturm, der Orkan, der Tornado, der das Sein oder Nichtsein in seiner Hand hält, der entscheidet über Leben, Tod und Überleben, sei es im Leben oder Sterben. Wir haben keine Macht über den Wind. Er entzieht sich uns unsichtbar. Wir sehen ihn nur mittelbar, wenn er durch die Blätter der Zitterpappel fährt, die Äste knickt, die Blätter vom Baum fegt, gar den Baum bricht, aber die Wurzel stehen lässt. Wenn er Sturm kommt,nimmt Gott die Geist Getauften bei der Hand und führt sie hinaus in sein sicheres Land. Doch auch da gehen Winde, die uns wegraffen können.
Jesus erklärt weiter: Nur wenn man neu geboren wird, sieht man das Reich Gottes (Joh 3, 3), geboren aus Wasser und Geist, geboren aus Gott, der Quelle des Lebens, die Schuld genommen durch den einen, einzigen Sohn, ausgeschüttet über uns der Heilige Geist im Namen des Vaters und des Sohnes und damit uns in diese Drei-Einigkeit hineingehoben. Dies ist immanentes, in sich einiges Geschehen, eines im anderen und das eine wäre ohne das andere nicht. Trinitatis ist der göttliche Lebenskreislauf. Ohne Trinitatis steht Vater, Sohn und Heiliger Geist einzeln da, unverbunden. Trinitatis ist der Versuch zu benennen, dass alles von Gott ausgeht und in Gott eingeht, vermittelt durch den einen Sohn, er uns durch unsere Entschuldung so rein macht, dass wir wieder eins werden können mit Gott. Trinitatis – Dreieinigkeit – ist nicht Trennung, sie ist geistgeborene Einheit des Menschen in Gott.
Lieber Luther, zusammengefasst könnte man ganz einfach sagen: Trinitatis ist uns in Form des Segens gegeben und immer gegenwärtig (4.Mos 6, 24-27):
Ihr sollt meinen Namen auf die Kinder Israel legen, dass ich sie segne:
Der Herr segne dich und behüte dich,
der Herr lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig;
der Herr erhebe sein Angesicht über dich und gebe dir Frieden.
der Herr lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig;
der Herr erhebe sein Angesicht über dich und gebe dir Frieden.
Man möchte noch anhängen:
Ehre sei dem Vater und dem Sohn und dem heiligen Geist.
Ehre sei dem Vater und dem Sohn und dem heiligen Geist.
Trinität, ganz ohne Dogmatik.
Ganz einfach, ganz unverkopft. Gottes Wind. Gegenwärtig. Gefühlt. Geglaubt.
Ganz einfach, ganz unverkopft. Gottes Wind. Gegenwärtig. Gefühlt. Geglaubt.
Herzliche Grüße
Deborrah
Deborrah