Lieber Luther,
das Leben ging weiter. Nachdem Jesus endgültig zu seinem Vater zurückgekehrt war, waren die Jünger auf sich selbst gestellt. Es war niemand mehr da, der erklärt hätte, was unklar war und geklärt hätte, worüber keine Einigkeit herrschte. Die göttliche Wahrheit musste fortan über Menschen vermittelt und ausgelegt werden. Wenn Jesus, seine Lehre, schon in Frage gestellt wurde, wie schwierig war es erst für die Jünger, eine Bresche für den christlichen Glauben durch Heiden- und Judentum zu schlagen. Eine unendlich schwere Aufgabe. Jesus hat die Jünger beauftragt: Gehet hin und lehret alle Völker und taufet sie im Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes (Mt 28, 19).
Die Jünger nahmen den Auftrag an. Allerdings wäre es blauäugig zu glauben, dass mit Jesu Tod der schwelende Konflikt zwischen Jesu Lehre und den jüdischen Geistlichen mit einem Schlag beendet gewesen wäre. Mitnichten. Jesu war nur der Erste, der in seinem Namen verfolgt und getötet wurde, viele folgten. Der Konflikt verschärfte sich noch mit der Kunde von Jesu Auferstehung. Das wurde als weitere Provokation angesehen.
Einerseits verstanden viele Menschen das Zeichen der Auferstehung, die göttliche Botschaft dahinter. Sie trieb die Menschen in Scharen den Jüngern zu, öffnete sie für den Glauben an Christus. Natürlich war das den jüdischen Glaubenshütern weiterhin ein Dorn im Auge, bedrohlich für ihre Autorität. Jetzt soll dieser Jesus auch noch auferstanden sein.
Andererseits gab es auch viele, die zweifelten, so wie heute auch.
Andererseits gab es auch viele, die zweifelten, so wie heute auch.
Als Jesus noch körperlich auf der Erde weilte, gab er den Jüngern schon Mut: sorgt euch nicht, ihr werdet dem Volk predigen, was ihr predigen sollt, ich lege euch das Wort durch den Heiligen Geist in euern Mund. Da Jesus wusste, dass einer die Führung übernehmen musste, gab er Petrus die Rolle. Er war die Autorität, die anerkannt wurde und so war es auch Petrus, der die Richtung vorgab (Apg 2, 14 ff): Es ist in der Schrift verheißen, dass Christi Seele nicht dem Tode überlassen wird und sein Fleisch die Verwesung nicht sieht. Wir Jünger können bezeugen, dass dies so eingetreten ist, wir haben den Auferstandenen gesehen. Er ist nun, wie es geschrieben steht, durch die Rechte Gottes erhöht, er hat den Heiligen Geist von seinem Vater empfangen und ihn wiederum über uns ausgegossen. "So wisse nun das ganze Haus Israel gewiss, dass Gott diesen Jesus, den ihr gekreuzigt habt, zu einem HERRN und Christus gemacht hat". Deshalb tut Buße, lasst euch taufen zur Vergebung eurer Sünden, dann werdet auch ihr die Gabe des Heiligen Geistes empfangen. Denn das ist euch und allen, die Gottes Ruf folgen, verheißen.
In der Nachfolge Jesu tat auch Petrus Zeichen und Werke, die nicht jeder vermag. Das Volk war beeindruckt und das war Sinn und Zweck der Sache. Gottes Geist wirkte mit. Die geistlichen Würdenträger waren, wie schon bei Jesus, pikiert: Wie konnten diese ungebildeten Menschen all dies reden und bewirken? Sie mussten verschwinden, wobei sie, wie schon bei Jesus, die große Zahl der Anhänger fürchteten (Apg 4,21). Deshalb gingen sie durchtrieben Schritt für Schritt vor, schüchterten die Apostel ein, indem sie sie stäupten (Apg 5, 40) und aus der Stadt vertrieben. Mit Stephanus wurde ein erstes tödliches Fanal gesetzt. Er war angesehen, voll großem Glauben, wundertätig und voller Weisheit. Mit seiner Verurteilung konnte man ein Zeichen setzen. Nach dem gleichen Rezept wie Jesus, wurde er verleumdet und schließlich gesteinigt (Apg 6-7). Jakobus starb als nächster (Apg 12, 2). Das Wunder war, sie verzagten nicht, ließen sich weder einschüchtern noch beirren, räumten das Feld nicht.
Lieber Luther, wieso erzähle ich das alles? Wir sind beim heutigen Predigttext angelangt. Paulus, der über den Heiligen Geist die Mission hatte, insbesondere Gottes Wort unter die Heiden zu bringen, ist in Athen angekommen. Dort herrschen die griechischen Götter und Paulus ist zornig über das Maß der Abgötterei dort. Er versucht, die philosophisch gebildeten Griechen mit ihren Mitteln zu schlagen: Er sagt, auf einem eurer Altäre habe ich gelesen: Dem unbekannten Gott. Ich sage euch, wer der euch unbekannte Gott ist (Apg 17, 23). Er wohnt weder in euren Tempeln, noch bedarf er eurer. Die goldenen, silbernen und steinernen Bilder, die ihr gemacht habt, sind falsche Götterbilder. Gott hat bisher eure Unwissenheit übersehen, aber nun fordert er von euch Buße. Ihr werdet einst, nach eurer Auferstehung, vor Gott stehen und er wird euren Glauben ansehen (Apg 17, 22-31).
Was passierte, liebe Luther? Als die wohlgebildeten Griechen die Botschaft von der Auferstehung der Toten hörten, spotteten sie über Paulus. Buße? Das entsprach nicht derepikurischen Lebensphilosophie der maximalen irdischen Glückseligkeit. Leben nach dem Tod? Der Tod geht uns nichts an, denn solange wir sind, ist der Tod noch nicht da; aber wenn der Tod da ist, sind wir nicht mehr.
Kommt uns das nicht, lieber Luther, bekannt vor? Paulus und die Athener damals, die sauertöpfischen christlichen Mahner, die wagen, daran zu erinnern, dass es auch ein Leben und eine Verantwortung für sein Leben nach dem Tod gibt, heute. Das will unsere körperorientierte Wellness- und Spaßgesellschaft nicht wirklich hören. Sich mit dem Tod und unserer Eigenverantwortung für unser Leben nach dem Tod auseinandersetzen? Muss das sein? Haben unsere Prediger den gleichen Mut, die gleiche Unverzagtheit, die gleiche Geradlinigkeit und Klarheit in der Botschaft wie die Apostel und Jünger? Wagen sie unbequem zu sein? Oder ziehen sie sich auf die Wellness konforme Botschaft "Gott ist die Liebe" zurück? Da kann man weder anecken noch etwas falsch machen. Die Jünger waren mutiger, konsequenter, einsatzbereiter, haben eine Mission und eine Berufung verspürt, der sie persönliche Belange, bis hin des eigenen Lebens, unterstellt haben. Freiwillig und aus eigener Glaubensüberzeugung. Dietrich Bonhoeffer ist ein jüngeres Beispiel für solch einen Mut, Verantwortung zu übernehmen.
Was lernen wir also, lieber Luther, aus dem heutigen Predigttext? Wir sollten uns an den Aposteln und Jüngern ein Beispiel nehmen: Durchhalten, nicht verzagen, nicht klein beigeben, sich nicht verstecken, unermüdlich sein in der Botschaft, im Wort, in der Predigt, nicht nach dem Mund reden, sich nicht einschüchtern lassen, wahrhaftig sein im Wort, auch wenn es nicht gern gehört wird. Anecken, wenn es sein muss. Auferstehen aus dem nichtssagenden Schlaf.
Ich weiß wohl, lieber Luther, auch Mut gehört dazu, Löwenmut, wie ihn die Apostel vorgelebt haben. Heute wird man, zumindest in unseren Breitengraden, zwar nicht mehr den Löwen vorgeworfen, wenn man von der Auferstehung nach dem Tod und unserer eigenen Verantwortung für unser Leben nach dem Tod spricht, aber ein Shitsturm kann einen trotzdem treffen. Sehen wir auf die Apostel und Jünger und lernen wir bei ihnen, haben wir Mut zum wahren Wort.
Herzliche Grüße
Deborrah
Deborrah