Lieber Luther

Lieber Luther

Sonntag, 18. August 2013

Von der Blindheit zum Sehen

Lieber Luther,

der letzte Brief, den ich dir schrieb, handelte von Blindheit. Von der Blindheit des Tilmann Moser und auch von einer partiellen Blindheit des Predigers. Es erfüllt mich mit einer gewissen Ehrfurcht und Andacht, dass es im Predigttext dieses besagten Sonntages um die Heilung eines Blinden ging (Joh 9, 1-7). Das ist in meinem letzten Brief ganz unter den Tisch gefallen und fällt mir gerade ins Auge.

Um das gleiche Thema geht es nämlich auch im heutigen Predigttext (Mark 8, 22-26). Dass es heute schon wieder um eine Blindenheilung geht, auch das erfüllt mich mit Ehrfurcht und Andacht. Es geht – man höre - um einen 2-Stufen-Heilungs-Plan. Gott ist im täglichen Leben sehr präsent.

Wieso tut Jesus gerade an Blinden so viele Wunderheilungen? Für was stand die Blindheit? Was war die Botschaft dahinter? Was sagt uns das heute noch?

Blindheit war schon zu Jesu Zeiten und ist auch heute noch die Volkskrankheit Nr. 1. Wir sind blind gegenüber den Nöten und Bedürfnissen unserer Mitmenschen, wir verschließen die Augen vor so vielem, bei dem wir hinschauen sollten, wir sind manchmal blind vor Zorn. Blind sind wir auch Gott gegenüber, können sein Wort nicht lesen oder ihn nicht sehen.
Oft ist so viel Finsternis in uns und um uns herum, dass wir nur noch im Dunkeln tappen.

Die schlimmste Art der Blindheit ist aber ein blindes Herz. Jesus ist gekommen, um

den Armen das Evangelium zu verkünden,
die zu heilen, die gebrochenen Herzens sind,
den Gefangenen zu predigen
den Blinden ein „Gesicht“ zu geben (Luk 4, 18),

d.h. die Blinden sehend zu machen, sie aus ihrer Gefangenschaft in der Dunkelheit zu befreien, ihre verletzten Herzen zu heilen, durch sein Wort, durch das Evangelium, Gott in ihm selbst ein Gesicht zu geben, damit wir sehend werden, ihn ansehen können und er uns. Denn ein Blinder kann keinem Blinden den Weg weisen, sie fallen gemeinsam in die Grube ( Lukas 6, 39). Solange die Menschen blind sind, finden sie nicht zu Gott. Grab anstatt Auferstehung, Dunkelheit anstatt Licht, Verirrung anstatt Nachfolge.

Bei der Heilung des Blinden bei Jericho entwickelt sich folgender Dialog:
Jesus fragt den Blinden: Was willst du, dass ich dir tun soll?
Der Blinde sprach zu ihm: Rabbuni, dass ich sehend werde.
Jesus aber sprach zu ihm: Gehe hin; dein Glaube hat dir geholfen. Und alsbald ward er sehend und folgte ihm nach auf dem Wege. (Mark 10, 46-52).

Sein Glaube hat ihm geholfen, er ward sehend und folgte nach. Damit ist im Prinzip alles gesagt. So geht es. Dein Glaube hat dir geholfen, hat dich heil gemacht, geh den Weg, den du jetzt siehst.

Ins Auge sticht in der Heilungsgeschichte in Markus 8, dass Jesus zwei Anläufe zu brauchen scheint, um dem Blinden die Augen zu öffnen. Wie auch schon in der Geschichte in Joh 9 heilt Jesus auch hier zunächst mit Spucke. Spucke steht hier für sein lebendiges Wasser, sein Heilwasser, das die Dunkelheit hinwegschwemmt. Aber, was sieht der Blinde: „Ich sehe die Menschen, denn ich sehe sie wie Bäume umhergehen.“ (Mark 8, 24, nach Elberfelder Übersetzung). Das ist der entscheidende Satz in dieser Geschichte.

Der Blinde sieht viele verschiedene Arten von Menschen. Der Baum steht für den Menschen in seinem natürlichen Wachstum. Es gibt kleine und große Bäume, unscheinbare und hervorstechende, schwache und mächtige, Bäume die von innen her faulen und Bäume, die von Schädlingen befallen sind. Manche Bäume nehmen den anderen das Licht, andere wiederum gedeihen im Schatten von größeren Bäumen. Manche Bäume passen gut zusammen, manche können nicht miteinander gedeihen, manche wachsen schnell, manche langsam. Bäume brauchen unterschiedlichen Nährboden und sie gedeihen nur in einem bestimmten Klima. Manchen Bäumen reichen flache Wurzeln, manche haben tiefe Wurzeln. Es gibt Nadel- und Laubbäume, Bäume, die sich gegenseitig befruchten, unfruchtbare und fruchtbare Arten.

Der Baum ist in der Geschichte ein Bild für den Menschen in seiner Vielgestaltigkeit. Der Blinde, den Jesus heilt, sieht zunächst vor lauter Bäumen nicht diejenigen, die auf Gottes Acker wachsen, die für ihn fruchtbaren Bäume. Er muss sich an sein Sehen erst gewöhnen, er muss erst lernen zu sehen. Er weiß nicht, an wem er sich orientieren soll. Ihm ist seine Blindheit zwar genommen, aber noch kann er nicht klar erkennen, welcher Baum für ihn gut ist und welcher nicht. Er sieht, aber er kann nicht einordnen, sieht nicht hinter die Fassade, er sieht die Oberfläche, nicht in die Herzen und nicht mit dem Herzen. Er spürt aber, dass das nicht alles sein kann. Jesus erkennt das an der Art der Antwort, die der Blinde auf seine Frage gibt, ob er etwas sähe. Der Blinde scheint sich zu wundern.

Offensichtlich gibt es unterschiedliche Arten von Sehen: eine oberflächliches und ein tiefer gehendes, unscharfes und klares Sehen. Sehen hat immer zwei Seiten: der der sieht und der der angesehen wird. Der Blinde sieht selbst noch nicht klar und sieht auch diejenigen, die er ansieht, nur undeutlich.

Deshalb geschieht eine zweite Heilung. Jesus legt also dem Blinden ein zweites Mal die Hände auf die Augen, um diesen Grauschleier von seinem innren und äußeren Auge zu nehmen. „und er sah deutlich und ward wieder hergestellt und sah alles klar.“ Es ist ein doppeltes Heilungsgeschehen, zwei Stufen, nach innen und außen gewendet, der Sehende lernt wie man mit dem inneren Auge sieht und die zu sehen, die er ansieht.

Erst jetzt ist er wirklich sehend. Er war wieder hergestellt heißt, er ist wieder in seinem Urzustand, er ist heil, gesund, die Krankheit, die innere Blindheit ist von ihm gewichen und erst durch die zweite Heilung war er auch in Gottes Klarheit gekommen. Er konnte Jesus ins Gesicht schauen und die Bäume, die Menschen, in all ihren Unterschieden erkennen, in ihrem unterschiedlichen natürlichen Wachstum.

Lieber Luther, eine tolle Geschichte, ich bin ganz begeistert. Das Alte und Neue Testament berichtet viel von Blindheit, geheilte und ungeheilte. In dieser Geschichte wird klar, wieso für Jesus die Heilung von Blinden so wichtig ist, wieso er sich so um sie kümmert, so oft an ihnen Wunder tut. Er will damit sagen: So handele ich an euch. Ich heile euch, ich mache euch sehend, seht was ich vermag, lasst euch von mir anrühren, macht die Augen auf, dann seht ihr klar.

Aber, lieber Luther, manchmal sind wir alle Blindschleichen. Dann sollten wir uns von Jesus in die Augen spucken lassen. Aber nicht zwinkern, damit es nicht daneben geht. Ja, Gott ist im täglichen Leben sehr präsent, ob wir ihn sehen oder nicht.

Herzliche Grüße

Deborrah

Donnerstag, 15. August 2013

Gottesvergiftung

Lieber Luther,
heute schreibe ich dir über ein Thema, das dein Leib und Magen-Thema ist, nämlich Sünden.
Vor ein paar Wochen wurde im Sonntagsgottesdienst ein Wort gebraucht, das mir jedes Mal, wenn es fiel, einen Stich gab. Meine ganze Person weigerte sich, dieses Wort in mich einfließen zu lassen. Wie das so ist, ließ es mir aber keine Ruhe, und als geübter Googler fand ich es schließlich im Internet wieder: Gottesvergiftung, hieß dieses Wort, in einem Gotteshaus in einem Gottesdienst mehrmals gefallen. Ich habe auch den Autor dazu gefunden, der dieses böse Wort in die Welt gesetzt hat: Tilmann Moser. Er wurde auch im Gottesdienst erwähnt, vor Schreck habe ich mir den Namen aber nicht gemerkt.
Im ersten Affekt wollte ich dir sofort schreiben, weil alles in mir sich dagegen aufgelehnt hat. Aber: Ich habe mich dann entschieden, mich zuerst damit auseinanderzusetzen, und nicht dem ersten Impuls zu folgen.
In den 10 Geboten heißt es: Du sollt den Namen des Herrn, deines Gottes, nicht missbrauchen; denn der Herr wird den nicht ungestraft lassen, der seinen Namen missbraucht (2.Mos 20, 7). Das schoß mir sofort durch den Kopf, als ich dieses unselige Wort zum ersten Mal von der Kanzel auf mich zurollte und mich überfuhr.
Was hat es nun damit auf sich? Zusammengefasst handelt es sich um das Werk eines religiös pubertären 30jährigen. Er schlägt auf Gott ein, meint aber sein gesellschaftlich-familiäres Umfeld. Anstatt mit seiner Familie, rechnet er mit Gott ab. Religiosität gehörte zur Familientradition, Pfarrer säumten den Familienstammbaum. Gott wurde als Drohmittel eingesetzt, Sündenängste aufgebaut. Das Kind nahm Schaden und wollte den ihn bedrohenden Gott loswerden. Das ist Zweck des Buches „Die Gottesvergiftung“. Nur, ist Gott dafür verantwortlich?
Mir selbst ist das völlig unbekannt. Mein Großvater vermittelte mir, bis zu seinem Tod, das Bild des guten Hirten. So sehe ich Gott heute noch. Nach dieser kurzen Zeit mit ihm bin ich sozusagen gottlos aufgewachsen. Gott war in unserer Familie quasi nicht existent. Kleine Sünden bestrafte bei uns das Leben, nicht Gott. Im besagten Gottesdienst hörte ich es zum ersten Mal in dieser Version. In meiner Konfirmandenzeit fing ich an, Gott aktiv zu suchen, ich spürte ihn, aber den Türöffner habe ich nicht gefunden, auch niemand, der mir die Tür aufgemacht hätte. Mit (Jugend-)Kirche konnte ich nichts anfangen. Ich befürchte, ich ringe immer noch mit ihr. Ich habe dir schon mehrfach davon geschrieben und vielleicht ist dieser Brief an dich ein Teil davon. Aber, solange man ringt, lebt die Beziehung noch. So hat es noch weitere Jahrzehnte gedauert, bis ich das Schloss, das mir die Tür zu Gott öffnete, endlich fand und Menschen, die mich dabei begleiteten.
Ich komme quasi von der entgegengesetzten Richtung, die Tillmann Moser beschreibt. Ich hatte eher ein Zuwenig an Gott, denn ein Zuviel. Vielleicht erklärt es meinen Hunger nach ihm und auch, wieso sich alles in mir gegen dieses gottlose Wort sträubt. Gottesdienst ist Dienst an Gott und nicht Verunglimpfung. Wie kann man Gott und Vergiftung zu einem Wort zusammenziehen? Mir tut dieses Wort innerlich weh, es kommt mir, wenn auch schwer, zwar über die Tastatur, aber nicht über die Lippen.
Zurück zu Tillmann Moser. Er kam von seinem Thema, obwohl er nach wie vor verkündet, er brauche Gott nicht mehr, dennoch nicht los. Fast 30 Jahre später hat er ein weiteres Buch über einen „erträglichen“ Gott geschrieben. Er ist Psychoanalytiker und hat im Umgang mit Pfarrern und in der täglichen Arbeit in seiner Praxis dazugelernt. Er versucht, seine Patienten über eine mögliche Gottneurose hinweg zu helfen, lässt ihnen aber Gott oder bestärkt sie gar in ihrem Glauben, da wissenschaftlich erwiesen ist, dass gläubige Menschen körperlich und seelisch gesünder sind.
Von der Seite kommend, kann er Gott wieder akzeptieren. Wie einen Kollegen, der hilft, seine Patienten zu heilen. Als glaubender Mensch kann man darüber schmunzeln.
Seine Analysen brachten ihn zu einem Wort, mit dem ich sehr viel anfangen kann: Andacht. Andacht ist für ihn ein feierlicher Zusammenhang, der durch starke Bilder, Musik oder andere Wahrnehmungen ausgedrückt wird. Er kommt zu einem für ihn erstaunlichen Ergebnis: „Es gehört wohl unabdingbar das Moment eben jener rätselhaften Verknüpfung von Selbst und Kosmos oder höherer Macht hinzu, das in gesteigerten Momenten in mystische Erfahrung übergehen kann.“ (S30). Diese Fähigkeit zur Andacht, die in jedem Menschen liegt, kann etwa durch bedrohliche Bilder, einen bloßen Richtergott oder durch die Sündenbedrohung bei einem Kind verletzt oder ganz beschädigt werden. Damit sind wir beim Glauben und beim missbrauchten Glauben.
Lieber Luther, so habe ich den altersweisen Tillmann Moser doch noch mit Gewinn gelesen und sein Bericht über einen Workshop mit Pfarrern liest sich amüsant, ist aber auch lehrreich und gibt tiefe Einblicke in Pfarrerseelen und ihre Zwiespalte.
Allerdings den Jüngern zu unterstellen, sie litten unter einer Gottesvergiftung, weil sie Jesus fragten, ob der Blinde blind sei, weil er oder seine Eltern gesündigt haben (Joh 9, 1-7), halte ich für abwegig. Die Jünger waren theologisch noch jungfräulich, sie waren einfach lernbegierig und haben den Meister direkt gefragt. Dazu war er da. Die Sündentheologie ist Theologie und kam später auf. Was ist das für eine Botschaft an eine sowieso schon glaubensmäßig unsichere Gemeinde? Wenn schon die Jünger und späteren Apostel an dieser Krankheit litten, wie schwer muss ich dann krank sein?
Ich bleibe dabei, dieses Wort gehört nicht in ein Gotteshaus. Man kann von missbrauchter Andacht, von missbrauchtem Glauben reden, um Ängste zu nehmen und Missbrauch anzusprechen. Aber immerhin: Durch dieses böse Wort habe ich mich mit diesen negativen Aspekten von Glauben auseinandergesetzt. Es ist ja nicht der Glaube, es sind - wie immer - die Menschen, die in diesem Fall im Glauben fehlen.
So sollte es wohl so sein, dass dieses Wort in diesem Gottesdienst gefallen ist. Für mich ist nichts Zufall und damit bin ich auch mit diesem Gottesdienst versöhnt.
Sündenbedrohung von Menschen an Menschen hat übrigens, lieber Luther, nichts damit zu tun, dass Gerechtigkeit und Recht die Stützen Gottes sind. Er nimmt große und kleine Sünden nicht einfach hin. Ansonsten machen große Teile der Bibel keinen Sinn. Alles was von Geboten und Recht handelt, bedarf eines Richters. Er wägt ab und fährt durchaus auch dazwischen, nach seinem Maß. Aber das hat etwas Reinigendes, Befreiendes, manchmal auch subjektiv Bedrohliches, wenn man nicht lassen will, was man lassen soll, aber es dient immer unserer Befreiung, nicht unserer Einschüchterung oder gar Bedrohung. Das wäre eine ziemliche Fehlinterpretation. Man sollte nicht von einem Extrem in das andere verfallen, da geht man fehl.
Herzliche Grüße
Deborrah
Tillmann Moser: Gottesvergiftung, Frankfurt 1980.
Tillmann Moser: Von der Gottesvergiftung zu einem erträglichen Gott. Psychoanalytische Überlegungen zur Religion. Stuttgart 2003.

Sonntag, 4. August 2013

Top, die Wette gilt - Lucifer und Hiob

Lieber Luther,
dass es Bedrohungen für den Menschen gibt von seinen dunklen Seiten, vom Satan, wie du diesen Teil des Menschen genannt hast, war dir selbstverständlich. Satan wohnt irgendwie in der Hölle, was immer wir uns darunter vorstellen. Bedrohlich, dunkel klingt es in jedem Fall.
Daran habe ich gedacht, als ich gefragt wurde, ob ich nicht einmal etwas über Lucifer schreiben könnte. Lucifer, meine erste Assoziation war Unterwelt, Dunkles, Böses. Seit Wochen denke ich über die Dimensionen von Lucifer nach, nicht zuletzt deshalb, weil er mir in letzter Zeit häufiger begegnet ist.
Lucifer hat eine überraschende Seite. Das Wort „Lucifer“ ist lateinisch und heißt „Licht bringend“. Lucifer heißt Morgenstern, der Planet Venus ist Lucifer, in der griechischen Mythologie der Sohn der flatterhaften Eos, der Göttin der Morgenröte. Von ihr hat er das Flatterhafte geerbt. Lucifer steht zunächst für das aufgehende Licht. Lichtbringend und blutrot ist Lucifer. Als ob der über den Menschen aufgehende Tag etwas über die Ambivalenz aller Tage der Menschen wüsste.
Von Lucifer ist in Psalm 139 die Rede. Gott ist mit uns, sieht all unsere Wege, sieht in unsere Herzen, sieht in den finstersten Winkel unseres Seins. Führe ich gen Himmel, so bist du da, bettete ich mich in die Hölle, siehe so bist du auch da, nähme ich Flügel der Morgenröte und bliebe am äußersten Meer, so würde mich auch dort deine Hand halten und deine Rechte mich leiten. Spräche ich, Finsternis möge mich decken, so muss die Nacht auch Licht sein, das mich umhüllt, denn auch Finsternis ist nicht finster bei dir und die Nacht ist dein Licht, das mich umfasst, ich sehe es nur nicht.
Irgendwann ist aus Lucifer im christlichen Verständnis etwas Satanisches geworden. Wann und warum interessiert hier nicht. Im Buch Hiob passiert etwas an sich Unglaubliches. Gott paktiert faustisch mit dem Satan, nur mit entgegengesetztem Ausgang als bei Faust.
Die Kinder Gottes treten vor den Herrn und der Satan ist auch darunter. Der Herr fragt ihn, wo kommst du her? Er antwortet: Ich bin im Land umhergezogen und habe dort gewütet. Gott fragt: Hast du keinen Respekt vor meinem Knecht Hiob gehabt? Es gibt keinen Vergleichbaren im Land, „schlecht und recht, gottesfürchtig und meidet das Böse“. Der Satan versucht den Herrn: Meinst du, dass Hiob umsonst Gott fürchtet? Du hast gut für ihn gesorgt, dann ist es auch nicht schwer, gottesfürchtig zu sein. Gott hält dagegen: Nehme ihm alles, was er hat, Satan, sein Habe, seine Gesundheit, nur umbringen darfst du ihn nicht. Der Satan hält dagegen: „Was gilt’s, er wird dir ins Angesicht absagen? (Hiob 1, 6 ff). Top, die Wette gilt.
Das gesamte Buch Hiob beschreibt den Verlauf dieser Wette. Hiob spürt tief in seinem Innern, dass irgendetwas nicht stimmt, dass böse Mächte am Walten sind und er stürzt ob all dem Unglück, das der Satan über ihn bringt, in tiefe Verzweiflung über seinen Gott. Wieso tust du mir das an, o Gott? Was habe ich getan, dass du mich so strafst? Er hadert und klagt an, aber er verliert seinen Glauben nicht.
Seine Freunde eilen herbei, um den verarmten und kranken Hiob zu trösten. Sie sind entsetzt, ob seiner Anklagen an Gott und kommen ihm mit schriftgefälligen Reden, die an seine Demut appellieren. Du versündigst dich Hiob, Gott darf man nicht anklagen, Gott ist Gnade, Gott ist die Liebe. Doch Hiob gibt in allem Elend nicht klein bei, er sieht das Böse, das am Walten ist. Der Satan nimmt ihm nicht nur all seine weltlichen Güter, seine Gesundheit, er kommt auch noch in Gestalt von angeblichen Freunden daher. Hartnäckig versucht der Satan in der Gestalt, Hiob von seinem inneren Gotteswissen abzubringen und auf den Irrweg der schönen Reden und des schönen Gottes-Scheins zu bringen.
Aber Hiob steht felsenfest. Er steht ein für seinen Glauben, auch wenn er arm, krank, verlassen, in die gottlose Ecke gestellt allein auf weiter Flur steht. Er lässt sich nicht beirren. Und Gott verlässt ihn nicht. Der Herr fragt Hiob, wo warst du, als ich die Erde gründete, wer hat das Maß und den Eckstein gesetzt, als mich die Morgensterne miteinander lobten und alle Kinder Gottes jauchzten, wer hat dem Morgen geboten und der Morgenröte ihren Ort gezeigt, dass sie alle Ecken der Erde erfasse und die Gottlosen herausgeschüttelt werden? (Hiob 38, 1-13).
Wer ist der Herr über das Maß, wer setzt den Eckstein, wer zeigt dem Morgenrot seinen Platz, blutrot oder licht? Wer schüttelt den Satan, die Versucher, die Versuchungen, das Böse aus dem anbrechenden Tag heraus? Als Hiob Gott wieder hört, versteht er, was er ihm sagen will. Er demütigt sich vor dem Herrn und findet aus seinem Hader heraus und wieder in die Demut vor Gott hinein. Gott hatte schließlich Erbarmen mit ihm, seinem gottesfürchtigen Diener.
Hiob war der Versuchung, dem Versucher ausgesetzt und Gott hat es ausdrücklich zugelassen. Gott wusste um die Glaubensstärke von Hiob. Er war sich Hiobs so sicher, dass er sogar auf ihn gewettet hat. Deshalb hat er Hiob gewählt, um dem Satan vorzuführen, dass Gott der Herr ist und nicht der Satan. Um das Pharisäertum zu entlarven. Seht, auch die scheinbar Gläubigen können nicht immer das Teuflische vom Göttlichen unterscheiden. Die Versuchung Jesu, als er 40 Tage in der Wüste war, zeigt, wie souverän Gottes Sohn die satanische Herausforderung meistert. Hiob verkörpert den Menschen in dieser Versuchung. Von Souveränität keine Spur.
Gott zeigt der Morgenröte ihren Ort. Lucifer steht nicht nur für den Lichtbringenden, sondern auch für den gefallenen Engel, wie im Buch Henoch beschrieben, für die gefallene Schöpfung Gottes, Adam und Eva, für diejenigen, die Gott gut und böse schuf. Die Versuchungen, die das menschliche Leben bringt, sind für uns oft größer, als Gottes Maß, sein Recht und Gesetz, sein Wille. Lucifer, der gefallene Lichtbringende, verkörpert das Licht, aber auch das Fleischliche, das Blutrot, das Verwundete und Verwundbare. Wir sind alle irgendwie Lucifer. Lichtbringend, gefallen und immer in Gefahr noch weiter zu fallen.
Hiob hat Demut lernen müssen. Er hat das Teuflische durchleiden müssen, seinen Stolz begraben, seine Selbstsicherheit, ein von Gott Geschützter zu sein, dem nichts passieren kann. Gott hat nicht verhindert, dass er so leiden und mit ihm hadern musste. Im Gegenteil, Hiob ist von Gott der Versuchung ausgesetzt, durch all sein Leiden hindurch geschickt worden. Und auch hier: Damit offenbar werde, dass ich, Gott der Herr bin. Gott war sich des Ausgangs von vornherein sicher.
Lieber Luther, diese Hiobsgeschichte ist einzigartig in der Bibel. Ein Buch, das erzählt, wie Gott mit dem Bösen, den dunklen Seiten, der Versuchung, dem Versucher umgeht. Ein Buch, das erzählt, wie Lucifer, der Licht Bringende, am Ende siegt, nicht der Gefallene. Das Hiobsbuch zeigt uns den Weg, gibt Zuversicht und Hoffnung, auch wenn es zunächst nach Hiobsbotschaften aussieht. Ein wunderbares Buch von der Tiefe des Glaubens. Wenn wir von Satan, dem Versucher, bedroht werden oder mehr Lucifer, dem Gefallenen, gleichen, dann sollten wir das Buch Hiob lesen und Psalm 139. Gott und das Böse, im Glauben immer eine Herausforderung für uns Menschen.
Herzliche Grüße
Deborrah