Lieber Luther

Lieber Luther

Samstag, 20. April 2013

wahr und anhaftend - wahrhaftig auferstanden


Lieber Luther,
mir geht wieder einmal alles zu schnell. Ich bin gedanklich immer noch bei der Auferstehung. Seit vielen Wochen bewege ich in mir die Frage, was heißt "wahrhaftig" auferstanden. An jeder Kirchenecke hört man es am Ostermorgen, aber was heißt es? Alle Gedanken und Predigten drehen sich um das Auferstehen an sich, aber was heißt "wahrhaftig". Auch bei Dir habe ich nichts so richtig gefunden. Bei der Fülle dessen, was du geschrieben hast, habe ich keinen Überblick, ob irgendwo etwas dazu steht. Du kannst mich ja korrigieren, wenn du bei Dir etwas findest.
Das "wahrhaftig" auferstanden kommt aus dem Lukasevangelium, den Emmaus-Jüngern dämmerte es nach der Begegnung mit dem auferstandenen Jesus: "Der Herr ist wahrhaftig auferstanden" (Luk 24, 34).
Das heißt sicher zunächst: Das Grab ist leer und es ist wahr, er ist tatsächlich auferstanden. Ich sehe schon das zweifelnde Stirnrunzeln oder das abschätzige arrogante Lächeln in vielen Gesichtern. Das Thema kann man nicht wissenschaftlich angehen, es hat etwas mit Glauben zu tun. Man hat ihn oder man hat ihn nicht. Glauben kann man nicht erklären. Ich habe an Jesu Auferstehung keinerlei Zweifel, deshalb mag ich auch keine Zeit damit verschwenden, eine Erklärung zu finden, wie das zugehen könnte. Für mich ist es eine innere Wahrheit. Punktum und Ende dieser Debatte für mich an dieser Stelle hier.
Was also heißt Jesus ist "wahrhaftig" auferstanden? Er hatte das schon angekündigt: Über ein kleines, da werdet ihr mich nicht sehen, aber über ein kleines, da werdet ihr mich sehen (Joh 16, 16). Die Jünger hatten es damals nicht verstanden.
Wenn die Jünger ungläubig waren, folgten bei Jesus immer Glaubenssätze, die von der Wahrheit zeugen, eingeleitet und erkennbar bei Johannes durch das "Wahrlich". So auch hier: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch, ihr werdet weinen und heulen, aber die Welt wird sich freuen; ihr aber werdet traurig sein; doch eure Traurigkeit soll in Freude verzehrt werden." (Joh 16, 20).
Das ist die Wahrheit von Jesu Auferstehung. Diese Wahrheit "haftet" uns an und verlässt uns nicht mehr, eben durch Jesu Auferstehung. Sie verhaftet uns in Jesu Nachfolge und heftet uns an die Erlösung an. Es gibt kein Entkommen, wir sind wie Gefangene in Jesus verhaftet. Er hat durch diese Wahrheit uns in diese Wahrheit gebracht. Was wir tun, tun wir in dieser Wahrhaftigkeit, unabhängig von oberflächlichen menschlichen Irrungen und Wirrungen. Mit Christus ist diese göttliche Wahrheit auferstanden, das heißt in die Welt gekommen.
Das haben die Emmaus-Jünger begriffen. Sie konnten das aber nur glauben, in dem sie Jesus wahrhaftig leiblich vor sich stehen und reden sahen.
Da hatten die Emmaus-Jünger und die Anderen, denen er erschienen ist, so scheint es auf den ersten Blick, einen Vorteil gegenüber uns. Wir glauben gern, dass nur das wahr ist, was wir sehen, wissenschaftlich, juristisch, tatsächlich beweisen können. Dabei stellen wir unsere wissenschaftlichen, juristischen oder Tatsachenbeweise, die auf unseren Gesetzen fußen, über das "Wahrlich, Wahrlich" von Jesu Wort in der Bibel. Wieso? Das ist unglaubliche Arroganz, Selbstüberschätzung und Blindheit.
Wie hoch ist die Halbwertszeit unserer menschlichen Gesetze und wissenschaftlichen Beweise? Wie unterschiedlich und veränderlich sind unsere Wahrheiten? Wir finden zu keiner "Einen Wahrheit" zwischen auch nur Zweien unter uns.
Das "Wahrlich, Wahrlich" Jesu und Gottes hallt seit Jahrtausenden durch Raum und Zeit, ohne kulturelle Grenzen, ohne Veränderung und zeitgeistliche Anpassungen, eben weil das wahrlich Gesagte Jesu unumstößliche göttliche Wahrheiten sind. Die Wahrlich-Wahrlich-Wahrheiten haben keine Halbwertszeit, es sind Gottes Gesetze und Wahrheiten. Sie alleine sind ewig.
Jesus ist in Gott eingegangen, die Jünger sind im nachgefolgt, das Wort aber, das von der Wahrheit zeugt, ist geblieben. Deshalb haben wir auch nicht wirklich einen Nachteil gegenüber den Jüngern. Wir haben das gleiche Wort, wir können lesen und hören und auch wir können mit Gott reden. Er gibt Antworten. Wir haben die gleichen Chancen und Möglichkeiten auf Nachfolge und Verweigerung, wie die Jünger hatten.
Wahrhaftiger Glaube ist ein Gottesgeschenk, eine Gnade. Wer Gott wahrhaftig sucht, dem kommt er entgegen und er wird ihn erkennen, wie die Emmaus-Jünger. Es wurde ihnen von ihm ohne ihr Zutun eingepflanzt, aus göttlichem Willen und göttlicher Gnade. So ist es auch uns eingepflanzt. Das Samenkorn ist wahrlich in jedem. Wir müssen es nur wachsen lassen.
In Psalm 33, 4 heißt es: Denn des Herrn Wort ist wahrhaftig; und was er zusagt, das hält er gewiss. Genau das, was Jesus den Jüngern wahrlich vorhergesagt hat, ist eingetreten. "Sie aber beteten ihn an und kehrten wieder gen Jerusalem mit großer Freude" (Luk 24, 52).
Lieber Luther, die "große Freude" lockt. Im Augenblick habe ich auch nichts anderes in mir, deshalb stoppe ich hier, obwohl mir noch so einiges zu dem Thema einfällt. Später dazu mehr.
Herzliche Grüße
Deborrah

Montag, 1. April 2013

Nachösterlicher Appetithappen


Lieber Luther,
ich hatte dich ja schon gefragt, wo wohl Jesus am Karsamstag war. Eine vergleichbare Frage stellt sich für die Zeit zwischen Ostern und Himmelfahrt. Er scheint irgendwie da und doch verschwunden.
Angeregt zu diesem Nachdenken wurde ich von meinem weisen Bruder. Er hat mich gefragt, während eines langen und schönen Spaziergangs. Ich konnte ihm so spontan nicht antworten und habe ihm eine Antwort versprochen, sobald die Zeit da ist, also jetzt. Es ist schon einige Monate her und seither denke ich darüber nach. Mal sehen, wie die Antwort ausfällt.
Liebe, Glaube, Vertrauen heißt der Dreiklang, mit dem eine Antwort auf die Frage zu finden ist, was Jesus zwischen Ostern und Himmelfahrt gemacht hat. Je nach Evangelium wird es etwas anders beschrieben.
Eins ist aber immer gleich: Es ist zwar fast unglaublich nach all der Zeit mit Jesus, aber den Jüngern fehlte es an Glauben. Nicht erst seit Jesus physisch gestorben war, auch schon vorher. Jesus hat das immer beklagt und auch versucht, seine Jünger darauf vorzubereiten, dass sie nun bald ohne seine körperliche Präsenz auskommen müssten. Es hat leider nicht gefruchtet.
Es ist kein Zufall, dass der Auferstandene und die Botschaft von der Auferstehung zuerst Frauen erreichte (Luk 24,1ff; Joh 20, 1ff), die Botschaft erreichte das Herz der Frauen, sie zogen nicht in Zweifel was sie hörten: "Und sie gedachten an seine Worte" (Luk 24,8). Sie wussten etwas in ihrem Herzen, das kein Verstand kennt, sie liebten und vertrauten.
Also laufen die Frauen zu den Männern und bringen die Botschaft von Jesu Auferstehung. "Und es deuchten sie ihre Worte eben, als wären's Märlein, und sie glaubten ihnen nicht." (Luk 24, 11). Petrus, der immer forsche, wunderte sich. Mehr nicht (Luk 24, 12; Joh 20, 6). Und bei Markus (16, 11) steht: "Und diese, da sie hörten, dass er lebte und wäre ihr erschienen, glaubten sie nicht". Eine Ausnahme gibt es, der Jünger, den Jesus liebhatte, Johannes, er sah in das Grab hinein, sah auch dass es leer war und "glaubte es" (Joh 20, 8). Johannes hat auch mit dem Herzen gesehen und deshalb geglaubt.
Die Männer in seiner Jüngerschar waren ein schwerer Brocken für Jesus. Ausgerechnet denjenigen, die sein Wort weitertragen sollten, mangelte es an Glauben. Wie sollten sie da auf andere überzeugend wirken? Jesus wusste es schon vorher. Deshalb musste er noch ein kleines Weilchen bleiben. Die Männer glaubten mit dem Verstand. Was sie sahen, glaubten sie, was sie nicht sahen glaubten sie nicht.
Im Johannesevangelium steht: "sie wussten die Schrift noch nicht, dass er von den Toten auferstehen müsste" (Joh 20, 9). Besser müsste es heißen, sie verstanden die Schrift noch nicht, denn Jesus hat ihnen vor seinem Tod nichts als die Schrift ausgelegt. Aber das ist nicht das Kernproblem und trifft den Punkt nicht wirklich.
Das Problem Jesu mit den Jüngern war der Glaube und Jesus sagte es ihnen auch auf dem Weg nach Emmaus, wie so oft in seiner direkten, schonungslosen Art: O ihr Toren mit euren trägen Herzen, wieso glaubt ihr nicht, was bei den Propheten geschrieben steht. Man hört ihn innerlich stöhnen: Wie oft habe ich euch gesagt, dass die Schrift erfüllt werden muss? Und noch einmal erklärte er es ihnen. Die Jünger hörten und hörten doch nicht, sie verstanden einfach nicht, was er sagte.
Jesus musste in der Zeit zwischen Ostern und Himmelfahrt bei den Jüngern den Glauben in ihrem Herzen stärken. Sie mussten lernen ohne ihn auszukommen. Er war nun schon gestorben, das heißt nicht mehr im irdenen Leben. Den Jüngern erschien er sozusagen noch häppchenweise, als Appetithappen, um ihnen klar zu machen: Alles was ich gesagt habe, ist wahr, aber ihr müsst es glauben, auch wenn ihr mich nicht mehr seht, wenn ich keine Wunder vor euren Augen mehr vollbringe. Dass ihr mich, bis ich endgültig zu meinem Vater aufsteige und euch endgültig aus den sichtbaren Augen gehe, nochmals sichtbar wahrnehmen könnt, ist ein Wunder das ich tue, um euch in den rechten Glauben zu bringen. Ihr braucht den Glauben im Herzen, damit ihr denen, denen ihr mein Wort weitertragen sollt, glaubwürdig erscheint.
Jesu sagt nicht umsonst, ihr habt "träge" Herzen. Er will ihnen sagen, ihr müsst euer Herz bewegen, ihr müsst mich in eurem Herzen finden, nur dort werde ich zukünftig noch für euer inneres Auge sichtbar sein. So bewahrt mich in eurem Herzen und glaubt was ich euch verkündet habe.
Zur Bekräftigung isst Jesus mit ihnen Brot und Fisch, lässt sich quasi von ihnen bildlich aufessen, damit ihr Glaube endlich innerlich werde (Luk 24, 41ff oder Joh 21, 12ff). Er lässt sie seinen Leib aufessen mit Brot, damit der Glaube bei den Jüngern von außen nach innen kommt, physisch verinnerlicht wird, da Jesu leiblich sichtbar als Glaubensanker nicht mehr zur Verfügung stand. Jedes Abendmahl ist eine solche Erinnerung an das innerliche Vorhandensein Jesu in unseren Herzen. Erst durch diesen bildlichen Akt Jesu wurden "ihre Augen" (Luk 24, 31) und ihr Verständnis (Luk 24, 45) geöffnet.
Zusammengefasst ist all dies in Jesu Standpauke an den ungläubigen Thomas: "Dieweil du mich gesehen hast, Thomas, so glaubest du. Selig sind, die nicht sehen und doch glauben" (Joh 20, 29).
Ohne diese Zeichen und diese nachösterliche Stärkung und Bekräftigung durch Jesus, wären die Jünger nicht in der Lage gewesen, Jesu Wort wirklich weiterzutragen. Zu ungläubig, zu wenig sehend, zu wenig verständig wären sie gewesen. Sie waren entmutigt, verloren, verängstigt. Sie verkrochen sich vor den Juden, anstatt dass sie in die Welt hinaustraten, um zu predigen (Joh 20, 19). Die Gottesherde hatte ihren sichtbaren Hirten verloren und war deshalb völlig konfus, ungläubig. Jesus musste sie erst wieder versammeln, ihre ängstlichen Herzen einsammeln und ihren Glauben in ihrem Herzen sammeln, auf dass sie fest und innerlich im Glauben werden, um ihrer Mission gewachsen zu sein.
Lieber Luther, ich glaube, das ist auch eine Botschaft an uns für die Nachosterzeit. Das große Fest der Auferstehung ist vorbei, das Schwere liegt vor uns: das Glauben. Aber haben wir immer die richtige Sammlung im Herzen, dass wir auf Gottes Wort dort auch hören, dem Glauben schenken, was wir dort hören und entsprechend handeln?
Vielleicht sollten wir die Zeit bis Himmelfahrt nutzen und auf unsere Sammlung im Herzen achten. Eine stillere Zeit, als ich eigentlich dachte. Die Herausforderung im Glauben ist nach Jesu Tod größer als vorher, als er noch Mensch war. Leiden wir nicht oft unter der Jüngerkrankheit? Jeder prüfe sich selbst, es gibt keinen anderen in diesem irdischen Leben, der das für einen tun kann. Ich wünsche dir viel innere Sammlung, die allen Anfechtungen widersteht,
Mit österlichen Grüßen
Deborrah